Die Kälte in dir (German Edition)
folgten sie Sampo über den braunen Rasen.
»Das wird nicht schön«, warnte der Finne und hob das Absperrband an, damit Kristina und Finckh darunter hindurchschlüpfen konnten.
Bevor Kristina einen weiteren Schritt auf das von den Kriminaltechnikern gekennzeichnete Terrain machen konnte, tauchte die Pathologin zwischen den Sträuchern auf. Dr. Wuppermann.
Miriam
.
Selbst in der Sommerhitze sah sie blendend aus.
Sie hat die Kälte aus ihrer Leichenkammer konserviert und mitgebracht
, dachte Kristina. Die Antipathie hatte sich ihrer bemächtigt, seit sie die Telefonnummer der adretten Ärztin im Handy ihres Freundes gefunden hatte.
Ex-Freundes
, korrigierte sie sich. Als sie ihn dazu befragt hatte, hatte er keine plausible Erklärung parat gehabt. Stattdessen war ein lautstarker Streit darüber entbrannt, wieso sie in seinem Telefon herumschnüffelte.
Aber das sollte Kristina nicht mehr interessieren. Es gehörte der Vergangenheit an.
Er gehört der Vergangenheit an!
Außer dem Eintrag in seiner Rufnummernliste hatte ohnehin nie ein ausreichender Verdacht existiert. Warum also benahm sich Kristina nach wie vor so unklug gegenüber der Ärztin?
Weil
Miriam Wuppermann niemals ihren Führerschein verlieren würde. Schon gar nicht wegen überhöhter Geschwindigkeit.
Die Pathologin lächelte und blickte ihr direkt in die Augen, während sie sich die Gummihandschuhe von den schlanken Fingern zog und in die Umhängetasche stopfte. »Ich habe mich bemüht, die Lage des Opfers möglichst wenig zu verändern«, gab sie Kristina zu verstehen. »Aber beeilen Sie sich mit der Beschauung, sonst ist bald nichts mehr übrig. Die Maden sind bei diesen Temperaturen besonders effektiv, und nach einer ersten Schätzung war er ihnen bereits zwei, drei Wochen ausgesetzt. Noch ein paar Tage, und wir hätten eine saubere Dekarnation.«
»Nur noch blanke Knochen«, soufflierte Finckh.
»Überrasch mich, Werner«, erwiderte Kristina und sah ihren Kollegen herausfordernd an.
»Es gab da neulich eine Sendung, so eine Dokumentation über eine indische Glaubensgruppe, die ihre Toten den Geiern überlässt.«
»Sie meinen die Parsen«, ergänzte die Pathologin. »Die Dekarnation ist eine für unser Verständnis ungewöhnliche Bestattungsmethode. Diese in Indien verbreitete Religionsgemeinschaft lässt ihre Toten von Tieren, in erster Linie von Geiern, auffressen. Soweit ich mich erinnere, spricht man dabei von Himmelsbestattung. Eine äußerst hygienische Methode, sich der Toten zu entledigen, aber ich bezweifle, dass das hier beabsichtigt war. In Indien schaffen die Aasfresser das in wenigen Stunden. Bei unserem Opfer waren allenfalls ein paar Nager, Insekten und möglicherweise Raben am Werk. Die haben selbst über einen Zeitraum von drei Wochen hinweg nicht alles vertilgen können. Den genauen Todeszeitpunkt erfahren Sie nach dem MRT .«
»Anfang Juli«, raunte Finckh und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
»Alles Weitere, wenn ich mit ihm fertig bin«, wiederholte sich Dr. Wuppermann.
»Können wir davon ausgehen, dass das Opfer der Hausbesitzer ist?«
»Statur und Alter deuten darauf hin«, antwortete Sampo, und Miriam Wuppermann nickte.
»Ein DNA -Abgleich wird uns Sicherheit geben.«
»Sonst irgendeine Auffälligkeit, die Sie jetzt schon loswerden wollen?«, hakte Kristina nach. »Falls für das fachmännische Auge noch was zu erkennen war.«
Sie kannte die Leichenbeschauerin lange genug, um zu bemerken, dass hinter der kühlen Mimik eine latente Unruhe verborgen lag, die kaum wahrnehmbar durch das perfekte, hitzefeste Make-up schimmerte. Wie es schien, hatte selbst Dr. Wuppermann noch nicht alles gesehen, und sie musste darum ringen, diesen absonderlichen Leichenfund rein wissenschaftlich zu interpretieren.
Die Pathologin ließ sich Zeit mit einer Antwort, sah ein paar Sekunden lang den Insekten zu, welche die rosa leuchtenden Blütenkelche einer an der Ummauerung wachsenden Strauchrose umschwärmten.
»Irritierende Verstümmelungen in der Unterleibsgegend. Ich würde sagen, post mortem. Aber ich will nicht vorpreschen, um Ihnen eine voreilige Beurteilung zu ersparen. Sie haben den Bericht im Laufe des morgigen Tages.« Dann wandte sie sich an Sampo. »Ihr könnt ihn einpacken, wenn die Kommissarin ihren Teil gesehen hat.«
Mit diesen Worten griff sie nach ihrem Untersuchungskoffer und verabschiedete sich mit einem knappen Nicken. Sampo und Werner starrten auf das Spiel ihrer Pobacken, die
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