Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Urteilsvermögen, so daß man sich seiner Führung
durchaus anvertrauen kann. Eine Grenzposition im biographischen Material der römischen Kaiserzeit nimmt der ›Agricola‹ des
Tacitus ein; denn als panegyrisch dominierte Biographie kann er auch den Panegyrici zugerechnet werden. Diese Gattung hat durch die Dankrede des jüngeren Plinius an Trajan im Jahre 100 ihre klassische Form
erhalten. Dementsprechend bildet der ›Panegyricus‹ des Plinius den Anfang einer Sammlung von › Panegyrici Latini ‹, die insgesamt
12 solcher Lobreden enthält. Vier gehören in die diocletianische Zeit, die anderen sind, abgesehen von der des Plinius, später
entstanden. Panegyrici verkünden die Ideologie des Kaisertums, sie enthalten aber auch handfeste Tatsachen. Als Erzeugnise
der Rhetorik sind den Panegyrici die Reden an die Seite zu stellen, welche die Griechen Dio Chrysostomus und Aelius Aristides vor Trajan
bzw. Antoninus Pius gehalten haben. Als Geschichtsquellen geben diese Reden Aufschluß über die Auseinandersetzung der Griechen
mit dem römischen Kaiserreich und mit ihrer eigenen Stellung darin. Von den Veränderungen, welche sich in der Rhetorik durch
die politischen Gegebenheiten der neuen Staatsform des Prinzipats vollzogen, erhalten wir Kunde durch den ›Dialogus de oratoribus‹
des Tacitus; die Praxis des Rhetorikunterrichts hat sich in der ›Institutio oratoria‹ Quintilians niedergeschlagen. Beide
Werke entstammen der Atmosphäre des ausgehenden 1. Jahrhunderts. Aus dem Bereich der Philosophie ist es eine bestimmte Gruppe von Schriften, die sich dem Historiker für eine Geschichte der römischen Kaiserzeit gewissermaßen
aufdrängt. Diese Schriften betrachten das Leben unter dem Gesichtspunkt der Moral und legen auch an die Politik moralische
Maßstäbe an. Senecas Abhandlung über die Milde als Herrschertugend (›De clementia‹) ist das instruktivste Beispiel für die
Bedeutung dieser Gattung, aber auch Plutarchs ›Moralia‹ lassen sich in diese Richtung einordnen, und mit Epictets ›Handbüchlein
der Moral‹ sowie des Marcus Aurelius ›Selbstbetrachtungen‹ wird die Moral geradezu zur Geschichtsmacht. Was die Dichtung anbelangt, so genügt der Hinweis auf Vergil, Horaz und Ovid, um zu ermessen, welche Bandbreite dichterischer Aussagen eine
Epoche aufweisen kann. Aber natürlich trägt nicht jede Zeit ein solch ausgeprägtes Signum. Manchmal sind es immerhin mehrere
Formen der Dichtkunst, die mit ihrem |298| spezifischen Zeitbezug eine Epoche kennzeichnen, manchmal ist es auch lediglich ein einziges Genos, das Anspruch darauf erheben
kann, repräsentativ für die Anliegen einer bestimmten Zeit zu sein. So werfen auf die neronische Zeit das Epos ›Pharsalia‹
Lucans, die Praetexta › Octavia ‹ eines unbekannten Dichters und das ›Satyricon‹ Petrons gleicherweise ihr Licht. Für die
flavische Zeit besitzen die ›Epigramme› Martials und die ›Silvae‹ des Statius ‘Quellenwert’. Aus hadrianischer Zeit dagegen
sind eigentlich nur die ›Satiren‹ Juvenals für den Historiker von Interesse. Die Briefliteratur der römischen Kaiserzeit weist mit Seneca und Plinius (dem Jüngeren) zwei Autoren auf, deren Briefsammlungen ganz unterschiedlich
ergiebig für die Zeitgeschichte sind. Während Seneca mit seinen Reflexionen eher ‘Hintergrundinformationen’ zur Kultur der
frühen Kaiserzeit liefert, findet sich bei Plinius auf Schritt und Tritt Tatsachenmaterial zur politischen, wirtschaftlichen
und sozialen Lage seiner (der trajanischen) Zeit. Große zeitgeschichtliche Bedeutung kommt sodann dem Briefcorpus des Kirchenvaters
Cyprian zu. Die Briefe enthalten über die spezifisch pastoralen Fragen hinaus viele Hinweise auf die Situation in Nordafrika
um die Mitte des 3. Jahrhunderts und die Krise im Reich überhaupt. Von den Briefen des jüngeren Plinius führt ein direkter
Weg zu den Rechtsquellen . Denn das 10. Buch der Plinius-Briefe enthält den Schriftverkehr mit Trajan. Die Antworten des Kaisers sind
epistulae
im Sinne der Rechtssprache: eine Form der kaiserlichen Reskripte (neben den
subscriptiones
), die wiederum einen Teil der Kaiserkonstitutionen bilden (Edikte, Reskripte, Dekrete). Diese bilden zusammen mit den rechtsetzenden
Senatsbeschlüssen das Gesetzesmaterial der Kaiserzeit. Was davon erhalten ist, verdanken wir weitgehend dem ›Codex Iustinianus‹
aus dem Sammelwerk Justinians, das seit seiner Edition durch Dionysius
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