Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
redegewandt«, murmelte Isis, was Sadie ein verächtliches Schnauben entlockte.
Horus deutete auf den Thron. »Ich kenne deine Gedanken, Carter, ich kann mir deine Antwort also denken. Aber ich muss dich noch einmal fragen. Wirst du dich mir anschließen? Wir könnten Himmel und Erde regieren. Maat verlangt einen Anführer.«
»Ja, hab ich auch schon gehört.«
»Mit dir als meinem Gastgeber wäre ich stärker. Du hast erst die Oberfläche dessen berührt, was Kampfmagie bewirken kann. Wir könnten Großes erreichen, es ist deine Bestimmung, das Lebenshaus anzuführen. Du könntest der König zweier Throne sein.«
Ich warf Sadie einen Blick zu, aber sie zuckte nur mit den Achseln. »Mich darfst du nicht fragen. Ich finde die Vorstellung schrecklich.«
Horus warf ihr einen giftigen Blick zu, doch die Wahrheit war, ich konnte Sadie nur Recht geben. Diese ganzen Götter, die auf Anweisungen warteten, diese ganzen Magier, die uns hassten – bei der Vorstellung, sie zu führen, bekam ich weiche Knie.
»Vielleicht irgendwann mal«, erwiderte ich. »Viel später.«
Horus seufzte. »Fünftausend Jahre und ich werde noch immer nicht aus den Sterblichen klug. Aber – nun gut.«
Er stieg zum Thron hinauf und schaute auf die versammelten Götter.
»Ich, Horus, Sohn des Osiris, beanspruche den Himmelsthron als mein angestammtes Recht!«, rief er. »Was einmal mein war, soll wieder mein werden. Erhebt jemand Einspruch?«
Die Götter flackerten und leuchteten. Ein paar sahen finster drein. Einer murmelte etwas, das wie »Käse« klang, aber vielleicht bildete ich mir das nur ein. Ich erhaschte einen Blick auf Sobek, vielleicht war es auch ein anderer Krokodilgott, der im Schatten knurrte. Doch keiner wagte, Horus offen zu widersprechen.
Er nahm auf dem Thron Platz. Isis brachte ihm Krummstab und Geißel – die Zwillingszepter der Pharaonen. Er kreuzte sie vor der Brust und alle Götter verneigten sich vor ihm.
Als sie sich wieder erhoben, kam Isis auf uns zu. »Carter und Sadie Kane, ihr habt viel für die Wiedereinsetzung der Maat getan. Die Götter müssen ihre Kräfte sammeln und ihr habt uns Zeit erkauft, auch wenn wir nicht wissen, wie viel. Apophis wird nicht ewig eingesperrt bleiben.«
»Ich schätze, ein paar hundert Jahre«, meinte Sadie.
Isis lächelte. »Wie dem auch sei, heute seid ihr Helden. Die Götter stehen in eurer Schuld und wir sind korrekt, was unsere Schulden betrifft.«
Horus erhob sich von seinem Thron. Mit einem Augenzwinkern in meine Richtung fiel er vor uns auf die Knie. Die anderen Götter rutschten unbehaglich hin und her, doch dann folgten sie seinem Beispiel. Selbst die Götter mit Feuergestalten drehten ihre Flammen kleiner.
Wahrscheinlich sah ich ziemlich verblüfft aus, denn als Horus wieder aufstand, lachte er. »Du siehst aus wie damals, als Zia dir erzählt hat –«
»Äh, können wir das lassen?«, fragte ich schnell. Einem Gott Zugang zu seinem Kopf zu geben hat wirklich ernsthafte Nachteile.
»Geht in Frieden, Carter und Sadie«, sagte Horus. »Morgen früh werdet ihr unser Geschenk finden.«
»Geschenk?«, fragte ich nervös, denn beim nächsten Zauberamulett würde mir der kalte Schweiß ausbrechen.
»Ihr werdet schon sehen«, versprach Isis. »Wir werden euch beobachten und abwarten.«
»Genau das macht mir Angst«, sagte Sadie.
Isis hob die Hand und plötzlich standen wir wieder auf der Terrasse der Villa, als wäre nichts passiert.
Sadie drehte sich wehmütig zu mir. »Anregend.«
Ich streckte meine Hand aus. Das Djed-Amulett leuchtete durch seine Leinenhülle hindurch und war warm. »Hast du irgendeine Ahnung, wozu dieses Ding gut ist?«
Sie sah mich verständnislos an. »Häh? Ach, ist mir egal. Wie sah Anubis für dich aus?«
»Wie … Er sah wie ein Typ aus. Warum?«
»Ein gut aussehender Typ oder ein sabbernder hundeköpfiger Typ?«
»Ich glaube … nein, er war kein hundeköpfiger Typ.«
»Ich wusste es!« Sadie zeigte auf mich, als hätte sie in einer Diskussion Recht behalten. »Gut aussehend. Ich wusste es!«
Und mit einem albernen Grinsen drehte sie sich um und tänzelte ins Haus.
Meine Schwester ist ein bisschen seltsam, das hab ich vielleicht schon erwähnt.
Am nächsten Tag erhielten wir das Geschenk der Götter.
Als wir aufwachten, stellten wir fest, dass die komplette Villa bis in die kleinste Einzelheit repariert worden war. Alles, was wir noch nicht fertig bekommen hatten – es wäre wahrscheinlich noch ein Monat Arbeit
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