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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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exakt das ist das Gefühl, das ich bei diesem Monsieur immer habe. Kein anderer Politiker ist so ungemütlich wie dieser Sankt Nikolaus.«
    »Frau Kanzlerin, Sie wollten im Zusammenhang mit internationaler Politik etwas über Katzenmusik sagen.«
    »18. Jahrhundert, Kranich. Der Ausdruck stammt aus dieser Zeit. Da haben Studenten mit übelklingender Musik bei jenen Leuten ein Ständchen gegeben, die sie verhöhnen wollten. Ich habe zwar nicht in Moskau studiert, wie dieser de la Mare behauptet hat, aber so viel Russisch kann ich, um sagen zu können: Die Russen lieben solche Katzenkonzerte. Putin hat dieses verächtliche Gesicht, und sein Nachfolger hat es auch, und, Kranich, dann spricht man mit Leuten, die im Grunde nur signalisieren wollen, dass sie uns nicht ernst nehmen. Die Russen haben dafürmittlerweile auch wieder eine plausible Erklärung: Sie sind wieder stark. Sie dürfen wieder arrogant auftreten und müssen das vielleicht sogar auch. Wobei Arroganz prinzipiell eine etwas lächerliche Haltung ist. Putins Arroganz hat mich nie gestört. Weil er ein ernsthafter Mann ist. Schröder hat ihn geküsst. Das mache ich nicht. Aber er hat meinen Respekt. Auch wenn man immer auf der Hut sein muss vor ihm. Der Mann hat Stil. Bei Monsieur Nikolaus aber, Monsieur Kranich, bei diesem Herrn ist diese Arroganz nur peinlich.«
    »Frau Kanzlerin, was macht Sarko denn falsch?«
    »Er rechnet und rechnet, Kranich, und er kennt sogar die dafür notwendigen Formeln. Er rechnet mit den Amerikanern, er rechnet mit den Russen, er rechnet mit Ghadhafi, er rechnet mit Europa, und er rechnet sogar mit uns Deutschen. Aber vor allem, Kranich, vor allem rechnet er mit sich selbst. Und das ist seine grösste Unbekannte. Der Mann kennt sich nicht. Er ist sich selbst ein Rätsel, und wüsste er das, könnte er es vielleicht sogar lösen, denn dumm ist er nicht. Nur leider im Augenblick einer der grössten Katzenmusikdirigenten, die wir in Europa haben, und dazu kommt, dass ich sein Parfum nicht mag.«
    »Wie riecht er denn?«, wollte Kranich wissen, weil er jetzt wirklich neugierig war.
    »Er will männlich riechen, Kranich, und das ist das Schlimmste. Es hätte mich nicht gestört, wenn er schweissüberströmt in den Speisesaal gekommen wäre, weil er vorher noch joggen musste. Aber nachdem er gerannt war – und er rennt immer, wobei meist unklar bleibt, hinter was er eigentlich her ist –, hat er sich wohl in seinem Hundert-Quadratmeter-Badezimmer gepudert, geschminkt und anschliessend mit einem Parfum besprüht, das schwer zu beschreiben ist. Würde Lidl so ein Parfum verkaufen, würde ›männlich herb‹ draufstehen. Aber vermutlich hat es Gaultier gemixt, und es heisst agressif. Wissen Sie, Kranich, manchmal denke ich, dassNicolas gar kein Nikolaus ist und also auch nicht verkleidet. Er ist eine Kopie.«
    »Und wen kopiert er, Frau Kanzlerin?«
    »Louis de Funès, Kranich. Ist Ihnen das noch nie aufgefallen? Diese kleine Wichtigkeit, die er hat, wenn er sich aufspielt, immer in Bewegung, immer Agilität mimend, immer alles im Blick, alles unter Kontrolle, immer dynamisch: Kranich, der beisst sogar dynamisch in eine Banane und merkt nicht, dass er dabei alle Umstehenden besudelt. Die Psychologen würden sagen: aktionistisch, aber das geht jetzt vielleicht etwas weit.«
    »Ich kenne diesen de Funès nicht.«
    »Dazu sind Sie zu jung, Kranich, mit achtunddreissig können Sie diesen Komiker – ich meine de Funès – nicht kennen. Wichtig für Sie ist nur, zu wissen, dass Monsieur Sarko immer auf den Zehenspitzen wippt und sich, wie gesagt, wie ein Mann benimmt, der, rein biologisch gesehen, etwas zu kurz gekommen ist.«
    Ein Telefonanruf störte ihre Unterhaltung. Die Kanzlerin giftete in den Hörer: »Jetzt quietschen Sie mal nicht so rum, und das auch noch derart unqualifiziert, also ich möchte schon bitten …«, dann legte sie den Hörer wortlos auf, stellte sich vor einen USM-Haller-Möbelschrank, überlegte, öffnete eine Schublade und schloss sie wieder. Kranich wusste, dass sie sich jetzt gern einen kleinen Schluck gegönnt hätte, sich aber zu beherrschen wusste und er sie abzulenken hatte: »Und es gibt gar nichts, was Sie mit Herrn Sarko verbindet, nichts, was Sie an ihm mögen?«
    »Es gibt die deutsch-französische Freundschaft, Kranich, es gibt die hervorragenden transatlantischen Beziehungen, Kranich, es gibt die strategische Partnerschaft mit Russland, Kranich, es gibt die gutnachbarschaftlichen Beziehungen zu

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