0479 - Die Nacht der bösen Angela
»Und so wirst du mich bis an mein Lebensende begleiten und noch darüber hinaus. Versprichst du mir das?«
Angela hörte die Worte und senkte den Kopf. Noch nie hatte ein Mann sie das gefragt und sie in eine so große Verlegenheit gestürzt. Er sollte die Röte ihres Gesichts nicht sehen, aber ihr Nicken war ihm Antwort genug.
»Dann komm«, sagte der Mann, »damit wir den Bund schließen können.«
Angela gehorchte. Sie raffte den baumwollenen Umhang vor ihrer Brust zusammen und folgte der hochgewachsenen Gestalt in den nächtlichen Wald, wo die Schatten wie Tücher zwischen den Bäumen hingen.
Angela hatte den Mann vor wenigen Tagen erst gesehen. Als sie am Bach Wasser holte, hatte er dort gewartet. Er saß auf dem Rücken eines Pferdes und hatte auf sie hinabgeblickt. Dann war er abgestiegen, zu ihr gegangen, hatte ihren Kopf leicht angehoben und in ihr Gesicht geschaut.
»Ja, du bist die Richtige. Du wirst mich begleiten…«
Angela ging mit. Sie hatte nichts, woran sie hing, sie lebte in den Tag hinein und wußte nicht einmal, wer ihre Eltern gewesen waren, weil man sie gefunden hatte.
Ausgesetzt im Wald, ein Findling, aber ein Mädchen, dessen Schönheit im Laufe der Jahre voll erblühte, so daß die Männer glänzende Augen bekamen, wenn sie Angela sahen.
Niemandem hatte sie sich bisher hingegeben, bei diesem Fremden war es anders. Da verließ sie ihre Zieheltern, das Köhler-Ehepaar, und folgte ihm. Ihre kleine Habe hatte er hinter den Sattel seines Pferdes gepackt. Nur einmal hatte er seinen Namen genannt.
Romain Bloch!
Er gehörte zu den Edlen, war kein einfacher Mann, kein Söldner oder Handwerker. Er stammte aus dem Süden, wie er sagte, und er war in das Elsaß gekommen, um eine bestimmte Frau zu finden.
Angela sollte es sein.
Vor ihr schritt er her. Seine Kleidung war teuer, das hatte sie schon gesehen. Er hatte ein schmales Gesicht und einen dunklen Oberlippenbart, der ihm einen etwas verwegenen Ausdruck gab. Die ebenfalls dunklen Augen konnten lachen, drohen und auch so hart blicken, daß Menschen vor ihnen erschraken.
Angela nicht. Sie schenkte dem Mann ihr Vertrauen, denn sie wußte, daß er sie in eine bessere Welt und in ein besseres Leben führen würde. Das hatte er ihr versprochen.
Der dichte Wald lichtete sich sehr schnell. Holzfäller hatten hier ihre Spuren hinterlassen und an vielen Stellen auch das Unterholz mit weggeschlagen. Wie kleine Inseln lagen die abgeholzten Lichtungen verteilt, Baumstümpfe wuchsen aus dem Boden, als wollten sie jedem Besucher einen Sitzplatz anbieten.
Romain Blochs Reittier schnaubte des öfteren unwillig, weil es ihm nicht gefiel, daß es durch den Wald geführt wurde und die Zweige der Nadelgewächse manchmal gegen sein Fell peitschten. Sein Herr kümmerte sich nicht darum. Er steuerte eine bestimmte Lichtung an, ließ die Leine los und gab dem Tier einen Klaps auf die Hinterhand.
Das Pferd wußte Bescheid, es trottete abseits und begann zu grasen.
Angela kam nur langsam näher. Sie hatte nicht gefragt, aber sie wußte, daß etwas passieren würde und dieser Halt für sie sehr wichtig war. Hochaufgerichtet erwartete sie Romain Bloch. Wegen der nächtlichen Kühle hatte er einen Umhang übergestreift, der nicht so lang war, um die Degenspitze zu verdecken, die schräg unter dem Stoff des Umhangs hervorschaute.
Es gefiel Bloch nicht, daß Angela stehengeblieben war. Er winkte ihr zu, »Komm bitte her.«
Sie nickte.
Es war eine kühle, aber herrliche, mondhelle Nacht. Das bleiche Licht breitete sich aus wie ein blasses Gespinst. Der silbrige Schein berührte den Boden, kroch geisterhaft an den Stämmen der Bäume hoch und verfing sich schließlich in ihren dichtbelaubten Zweigen, wo die Blätter einen matten Glanz angenommen hatten.
Als das Mädchen vor ihm stehenblieb, nickte er. Bloch war größer als Angela, sie mußte zu ihm hochschauen und bemerkte seinen prüfenden Blick, mit dem er sie abtastete.
Das machte sie verlegen, besonders weil er es war, der sie so prüfend anschaute.
»Bitte«, sagte sie. »Was habt Ihr an mir auszusetzen?«
»Überhaupt nichts, Angela.«
Sie lächelte verlegen. »Aber Ihr schaut mich so ungewöhnlich an, wißt ihr…?«
»Du bist es wert, angeschaut zu werden. Selbst im Licht des Mondes öffnet sich mir deine Schönheit. Vielleicht gerade deswegen, weil sein Licht eine Blume, wie du es bist, streichelt.«
»Das sagt Ihr nur…«
»Nein, das ist mein Ernst.« Er ging auf sie zu. Mit seinen Händen
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