Die Kanzlerin - Roman
unmittelbar bevorsteht?«
»Über solche Erkenntnisse verfügt das BKA derzeit nicht, Frau Kanzlerin, aber ich wäre sehr froh, wenn Sie mir Ihre Quelle anvertrauen würden.«
»Es waren, zugegebenermassen, nicht sehr präzise Äusserungen des französischen Präsidenten, mit dem ich gestern sprach, die mich ein bisschen beunruhigt haben.«
»Was hat er konkret gesagt?«
»Herr Brack, ich schlage vor, dass wir das kurzfristig in kleinem Kreis besprechen. Passt es Ihnen morgen früh? Und wären Sie bitte so freundlich, Herrn Puller zu diesem Treffen einzuladen und natürlich auch den verehrten Herrn Kanzleramtsminister Haxer?«
Jens Brack reagierte sofort, trommelte seine Abteilungsleiter zusammen, informierte Auslandsgeheimdienstchef Martin Puller und setzte sich an sein Pult, das allen BKA-Normen entsprach und also vermutlich sogar schusssicher war. Seit acht Jahren leitete er jetzt das Bundeskriminalamt und konnte sich nicht erinnern, dass es so einen Vorfall je gegeben hatte. Die deutsche Kanzlerin ruft den BKA-Chef an, um ihm mitzuteilen, dass sie angeblich Kenntnis hat von Dingen, die, wenn schon, dieser BKA-Chef zu wissen hätte. Und, verdammt noch mal, was war das für eine Art und Weise? Da hocken zwei Staatschefs zusammen, fressen und saufen, und so nebenbei wird ein bisschen über Terrorismus geplaudert, und der französische Gockel gackert etwas, was ihm irgendein abenteuerlustiger Vertrauter gesteckt hatte – es war zum Kotzen.
Die Terrorbekämpfung hatte unterdessen ein Ausmass angenommen, das zumindest die Dimensionen des Pultes sprengte, an dem ein BKA-Chef sass, der weiss Gott andere Probleme zu bewältigen hätte. Brack liess sich von seiner Sekretärin, Frau Keller, mit seiner Frau verbinden. »Die nächste Woche gibt es mich nicht«, sagte er ihr, »und so Gott oder die Regierung es will, bleibt meine Abwesenheit in diesem Rahmen.«
Dann beauftragte er Frau Keller, umgehend Kontakt zu den einschlägigen französischen Sicherheitsbehörden herzustellen.
»Verdammt noch mal«, brüllte Brack, »was zum Teufel weiss ein französischer Präsident, was seine Dienste nicht wissen oder wissen und nicht kommunizieren? Und warum zum Teufel liegendiese Infos nicht längst auf meinem grauenhaften Schreibtisch? Bitte entsorgen Sie ihn endlich. Und, Frau Keller, ich brauche eine Übersetzerin, sofort. Und was ist mit Haxer, haben Sie ihn erreicht?«
»Der Herr Kanzleramtsminister hat heute Termine.«
»Frau Keller, Sie sind eine hervorragende Arbeitskraft. Sie sind meine Stütze, meine Lebensversicherung, mein Schutzengel, also organisieren Sie diesen Haxer, auch wenn er sich geheimnisvoller gibt als die Dienste, für die er angeblich verantwortlich ist. Aber, Frau Keller, verdammt noch mal, weil Sie wirklich die Beste sind, bringen Sie mir jetzt bitte einen Kaffee. Und dass diese Bitte absolut ungehörig ist, das weiss ich selbst, aber erstens brauche ich jetzt einen Kaffee, und zweitens leben wir alle in einer ungehörigen Welt. Danke.«
» G enosse Grimm, Tag, Genosse Engel, Tag, Genosse Pils, Tag, dann will ich mal gar nicht um den Brei herumreden und gleich auf den Punkt kommen, wenn ihr damit einverstanden seid.«
Finanzminister Kirk Ritz hatte sich für diese kurze Besprechung vorgenommen, keine Zeit zu haben und den entsprechenden Eindruck zu erwecken. Und er hatte die doppelte Dosis jenes Medikaments geschluckt, das angeblich helfen sollte, seinen Blutdruck zu senken. Wobei ihn die Laborwerte überhaupt nicht interessierten, von Belang schien ihm nur, dass ihm zu oft das Blut in den Kopf schoss und er sich dann rot wie eine Tomate fühlte. Und ein solcher Anblick sollte den Herren nicht vergönnt sein. Pils, der Parteichef, war politisch tot, Engel, der Umweltminister, mästete sich für das letzte Amtsjahr, um danach wohl in einen längeren Winterschlaf zu versacken, und Grimm, der Fraktionschef, hatte sich nach mehreren Herzinfarkten und Motorradunfällen angewöhnt, gelassen zu wirken. Kein übler Kerl, dachte Ritz,wirklich nicht. Aber mit Gelassenheit allein lässt sich nicht alles regeln.
»Edgar, Lothar, Karl-Heinz, oder wie es in gewissen Gegenden heisst: Liebe Leut, lasst uns ab sofort nur Wein trinken, den wir uns in aller Reinheit eingeschenkt haben. Klar ist, dass ich einen generellen Sparauftrag habe. Klar ist, dass dieser Sparkurs sowohl vom Kabinett als auch vom Bundestag in mehreren Beschlüssen konkretisiert worden ist. Und klar ist, dass die Kanzlerin keinen Zweifel
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