Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
geschäftige Treiben um mich herum. Die Menschen hier waren lockerer und weniger griesgrämig als in meiner Heimat
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Mein Handy machte sich bemerkbar, eine SMS von meiner Tochter. Vor vier Wochen hatte ich erstmals nach meiner Flucht aus Deutschland mit ihr Kontakt aufgenommen. Mein jahrelanges Schweigen hatte ich mit einer langwierigen Erkrankung entschuldigt. Sie hatte meine Ausrede akzeptiert, wobei eine Rolle gespielt haben mochte, dass ich für sie bei einer Schweizer Bank ein Konto mit hunderttausend Schweizer Franken eingerichtet hatte. Ab ihrem zwanzigsten Geburtstag würde sie über das Geld verfügen können. Die einzige Bedingung, die ich gestellt hatte: Ihre Mutter durfte nichts erfahren. Diesbezüglich drohte keine Gefahr, das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter glich einem Minenfeld
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Meine Tochter hatte in Deutsch eine Zwei geschrieben. Ich selbst war in Deutsch immer eine Niete gewesen und war stolz auf sie. Das Prepaid-Handy, mit dem ich ihr gratulierte, diente ausschließlich der Kommunikation mit meiner Tochter. Ein weiteres Handy war für die Kontakte zu meiner Bank bestimmt, das dritte für meine Telefonate in Panama. Außerdem hatte ich ein Handy angeschafft, das ausschließlich dem Zweck diente, falsche Spuren zu legen. Genauso wie ich ein Flugticket nach Madrid und später ein weiteres nach Kapstadt gekauft hatte. Beide Flüge hatte ich niemals angetreten, die Tickets sollten die Suche nach mir erschweren. Den gleichen Zweck verfolgten die Postfächer, die ich in Wien und Bukarest eingerichtet hatte
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Inzwischen musste Milner herausgefunden haben, dass ich ihn um mehr als zweieinhalb Millionen Euro ärmer gemacht hatte. Vermutlich hatte er längst seine gehirnamputierten Schergen in Gang gesetzt, um mich aufzuspüren und umbringen zu lassen. Natürlich nicht, ohne mich vorher zu foltern und den Verbleib des Geldes aus mir herauszuprügeln. Seine Schergen liebten solche Aufträge. Wenn sie wenigstens nur abgestumpft wären, mitleidlos und aggressiv. Es war weitaus schlimmer. Sie weideten sich daran, ihre bestialische Grausamkeit auszuleben und andere Menschen zu quälen. Sie waren schlimmer als Tiere, und ich selbst war nicht weit davon entfernt gewesen, genauso brutal und bösartig zu werden. Gerade noch rechtzeitig hatte ich mich besonnen und mir vor Augen gehalten, dass ich anders war als sie und aussteigen musste. Nicht aus Lust am Töten war ich zum Mörder geworden, sondern aus Rache. Ich wollte die Menschen zerstören, die zuvor mich ruiniert hatten. Das war nur recht und billig
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Ich konnte zufrieden mit mir sein. Es war alles so gelaufen, wie ich es mir ausgemalt hatte. Besonders schwer war es nicht gewesen, Milners Misstrauen gegenüber Wächter und Baumgart zu wecken. Er hat mir bedenkenlos geglaubt, dass seine Partner ihn hintergehen wollten. Sein krankes Hirn und die tief verwurzelte Abneigung gegen frühere Klassenfeinde wie Baumgart und Wächter ließen nichts anderes zu. Mir, dem verkappten Kommunisten und vermeintlichen Gesinnungsgenossen, schenkte er hingegen Vertrauen
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Boris Milner hatte Argwohn, Rohheit und Heimtücke quasi mit der Muttermilch eingesogen. Seine Kindheit bestand aus Schlägen eines nichtsnutzigen, ständig besoffenen Vaters. Dann das russische Militär, brutal und menschenverachtend. Danach die Laufbahn beim KGB, wo man ihn zur menschlichen Maschine abgerichtet hatte. Zuneigung, Fürsorge oder gar Liebe hatten bei Milner in seinem Leben keinen Platz. Ich musste nur an seine niederen Instinkte appellieren, an sein krankhaftes Misstrauen, seine Bösartigkeit und seine Brutalität und er funktionierte wie ein ferngesteuerter Roboter
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Als die Zeit reif dafür war, habe ich Wächter anonym angerufen und ihm klargemacht, was in der Klinik ablaufen sollte. Wie nicht anders von mir erwartet, machte sich der Politiker postwendend auf den Weg, um sich selbst ein Bild zu verschaffen. Als er sich in der Klinik umschauen wollte, habe ich ihm das Zimmer gezeigt, in dem Kartons mit der Aufschrift Vitalboxen standen, und selten dämliche Ausflüchte vorgebracht, nachdem er Interesse an den Kellerräumen zeigte. Dass mein Verhalten sein Unbehagen verstärkte und den Politiker veranlasste, auf eigene Faust den Keller zu erkunden, war ebenfalls vorhersehbar gewesen. Selbst ein Blinder wäre auf den OP-Raum gestoßen. Auch dass Wächter die Nerven verlor und aussteigen wollte, war ein wohlkalkulierter Teil meines Plans
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Später, als der Abgeordnete Wagner der
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