Die Kartause von Parma
ergriffensein wie er. An der Tafel des Gasthofes, wo er abgestiegen war, machte er durchaus kein Hehl aus seinen Plänen und seiner Verehrung. Er lernte ein paar freundliche, liebenswürdige junge Leute kennen, die noch viel begeisterter waren als er und die ihm nach wenigen Tagen sein Geld stahlen. Glücklicherweise hatte er aus reiner Bescheidenheit nichts von den Diamanten erwähnt, die ihm seine Mutter mitgegeben. Am Morgen nach einem Gelage, als er sich völlig ausgeplündert fand, kaufte er sich zwei schöne Pferde, übernahm den Reitknecht des Pferdehändlers, einen ausgedienten Soldaten, als Diener und machte sich, voller Verachtung gegen die prahlerischen jungen Pariser, auf den Weg zur Armee. Von dieser wußte er weiter nichts, als daß sie sich in der Gegend von Maubeuge sammele. Kaum an der Grenze angekommen, fand er es lächerlich, sich in einem Wirtshause gütlich zu tun und sich am gemütlichen Kaminfeuer zu wärmen, während die Soldaten draußen biwakierten. Trotz allen Einwänden seines Reitknechtes, eines Burschen mit recht gesundem Menschenverstand, eilte er törichterweise hinaus zu den Biwaks im Grenzzipfel an der Straße nach Belgien. Als er sich dem ersten längs der Straße gelagerten Bataillon näherte, sahen die Soldaten den jungen Zivilisten, dessen Tracht durchaus nichts Soldatisches verriet, schon mit etwas scheelen Blicken an. Die Nacht brach herein, kalter Wind blies. Fabrizzio trat zu einem Wachtfeuer und bat um Gastfreundschaft für Geld. Die Soldaten blickten sich an. Besonders das Angebot machte sie stutzig; doch räumten sie ihm gutmütig einen Platz am Feuer ein. Sein Reitknecht baute ihm ein Schutzdach. Aber nach einer Stunde kam der Stabsfeldwebel in das Biwak geritten. Die Soldaten machten ihm Meldung von dem Fremdling mit dem kauderwelschen Französisch. Der Feldwebel nahm Fabrizzio vor; und da dieser ihm seine Begeisterung für den Kaiser in arg verdächtigem Überschwang bekannte, ersuchte ihn der Unteroffizier, ihn zum Obersten zu begleiten, dersich in einer nahe gelegenen Scheune untergebracht hatte. Da näherte sich der Reitknecht mit den beiden Gäulen, die dem Feldwebel so gewaltig in die Augen stachen, daß er sich bewogen fühlte, auch den Diener ins Gebet zu nehmen. Dieser, als alter Soldat, durchschaute gleich den Kriegsplan seines Verhörers, redete von Protektionen, die sein junger Herr hätte, und fügte zuversichtlich hinzu, seine schönen Pferde werde man ihm nicht klauen. Sofort winkte der Feldwebel einen Soldaten herbei, der den Reitknecht beim Kragen faßte; ein anderer Soldat bekam die Pferde in Obhut, und Fabrizzio erhielt den barschen Befehl, ihm ohne Widerrede zu folgen.
Nachdem der Feldwebel Fabrizzio eine gute Wegstunde lang hatte laufen lassen, in einer Dunkelheit, die der Schimmer der Lagerfeuer ringsumher noch tiefer erscheinen ließ, übergab er ihn einem Gendarmerieoffizier, der ihn mit ernster Miene nach seinem Ausweis fragte. Fabrizzio zeigte seinen Paß vor, der ihn als einen mit seiner Ware hausierenden Barometerhändler auswies.
»Sind diese Kerle dumm!« brummte der Offizier. »Das ist denn doch zu stark!«
Er legte unserem Helden mehrere Fragen vor, die dieser mit den lebhaftesten Ausdrücken der Begeisterung für Kaiser und Freiheit erwiderte, worauf der Gendarmerieoffizier mit einem Male in ein unbändiges Gelächter ausbrach.
»Sapperment! Gar zu schlau bist du nicht, mein Jungel« rief er aus. »Das ist doch starker Tobak, daß man uns Grünschnäbel deiner Art herzuschicken wagt!« Und was auch Fabrizzio sagen mochte: seine redseligen Beteuerungen, er sei gar kein Barometerhändler, waren vergebens. Der Offizier ließ ihn ohne weiteres in das Gefängnis des nächsten kleinen Städtchens B. abführen, wo unser Held gegen drei Uhr früh, todmüde und außer sich vor Wut, anlangte.
Fabrizzio verbrachte, anfangs überrascht, dann zornig, ohne die geringste Ahnung, was man wohl mit ihm vorhabe, dreiunddreißig langweilige Tage in diesem abscheulichenGewahrsam. Er schrieb Brief über Brief an den Ortskommandanten, und die Frau des Kerkermeisters, eine hübsche Flamin von sechsunddreißig Jahren, erbot sich, die Briefe zu besorgen. Aber da sie nicht wollte, daß ein so netter Junge erschossen werde, und er überdies gut zahlte, so warf sie alle diese Briefe ohne weiteres ins Feuer. Allabendlich, sehr spät, geruhte sie ihn zu besuchen und die Jeremiaden des Gefangenen anzuhören.
Sie hatte ihrem Mann gesagt, daß der Grünschnabel Geld
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