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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Mach dich also darauf gefaßt; du wirst mächtige Angst kriegen, pfeifen dir die Kugeln erst mal um die Ohren. Du tust gut, wenn du einen Bissen ißt, solange du dazu noch Zeit hast.«
    Fabrizzio befolgte ihren Rat; er gab der Marketenderin einen Napoleondor und bat sie, ihn als Bezahlung zu nehmen.
    »'s ist zum Gotterbarmen,« rief die Frau aus, »so was mit anzusehen! Der arme Junge versteht nicht einmal, sein Geld auszugeben! Du verdientest wahrhaftig, daß ich deinen Napoleon einsteckte und meine Kokotte tüchtig antraben ließe. Hol mich der Teufel, wenn du mit deiner Kracke nachkämst! Was willst du machen, du Kindskopf, wenn ich dir auskratze ? Merk dir ein für allemal: Sobald der Tanz losgeht, wird nie Gold herausgebracht! Hier nimm: achtzehn Franken, fünfzig Centimes. Dein Frühstück kostet dreißig Sous. Nun wirds auch bald Gäule zu kaufen geben. Ist das Biest klein, so gibst du dafür zehn Franken, in keinem Falle mehr als zwanzig, und wärs das Roß der vier Haimonskinder!«
    Als das Frühstück zu Ende war, predigte die Marketenderin immer weiter, bis sie durch eine andere Marketenderin unterbrochen wurde, die querfeldein gefahren kam und die Straße kreuzte.
    »Holla he!« rief ihr das Weib zu. »Margot, dein sechstes Leichtes ist da rechts!«
    »Ich muß dich verlassen, Kleiner,« sagte die Marketenderin zu unserem Helden, »aber wahrhaftig, du tust mir leid. Ich bin dir gut. Sapperlot, du weißt weder gicks noch gacks! Du wirst dich erwischen lassen. Bei Gott, ja! Komm mit mir zum sechsten Leichten!«
    »Ich weiß wohl, daß ich nichts weiß,« antwortete ihr Fabrizzio, »aber ich will kämpfen und bin entschlossen, zu den weißen Rauchwölkchen dort zu reiten.«
    »Schau, wie dein Gaul die Ohren steift! Wenn du dahin reitest, brummt er dir, so faul er sonst ist, auf die Handund geht durch, – weiß der Teufel, wohin. Glaube mir das! Wenn du in der Schützenlinie bist, suche dir ein Gewehr und eine Patronentasche, menge dich unter die andern und mach ihnen alles nach. Aber, mein Gott, ich wette, du kannst nicht mal eine Patrone abbeißen!«
    Obgleich höchst verschnupft, gestand Fabrizzio seiner neuen Freundin dennoch ein, daß sie richtig vermutet hatte.
    »Armer Kleiner, du wirst im Handumdrehen weggeputzt sein! Das ist bei Gott wahr! Auf jeden Fall«, setzte sie im Befehlston hinzu, »mußt du mit mir gehen!«
    »Ich will aber ins Feuer!«
    »Das sollst du auch! Komm! Das sechste Regiment ist nicht von Pappe! Und heute gibts für jedermann zu tun!«
    »Werden wir denn bald bei Ihrem Regiment sein?«
    »Spätestens in einer Viertelstunde.«
    ›Unter dem Schutze dieser braven Frau‹, sagte sich Fabrizzio, ›gerate ich bei meiner allseitigen Unwissenheit wenigstens nicht in den Verdacht, ein Spion zu sein, und komme ins Feuer.‹
    In diesem Augenblick verdoppelte sich der Kanonendonner, Schuß folgte auf Schuß. »Wie die Perlen am Rosenkranz!« meinte Fabrizzio.
    »Man hört schon das Schützenfeuer durch«, sagte die Marketenderin und versetzte ihrem Pferdchen einen Peitschenhieb; es war durch die Schießerei schon ganz aufgeregt.
    Sie bog in einen Feldweg rechts ab, der durch die Wiesen führte. Der Schlamm war fußtief; beinahe blieb der Karren darin stecken. Fabrizzio griff in die Räder. Sein Gaul stürzte zweimal. Bald ward der Weg trockener, verlief aber in einen schmalen Wiesenpfad. Keine fünfhundert Schritte weiter blieb Fabrizzios Gaul urplötzlich stehen: ein Toter lag quer über dem Weg. Roß wie Reiter prallten zurück. Das von Natur sehr blasse Gesicht Fabrizzios färbte sich völlig grün. Die Marketenderin musterte den Toten und murmelte vor sich hin: »Der ist nicht von unserer Brigade.«
    Dann fiel ihr Blick auf unseren Helden.
    »Oje, mein Junge!« lachte sie auf. »Große Sache!«
    Fabrizzio war starr wie Eis. Was ihn ganz besonders entsetzte, waren die schmutzigen Füße der Leiche, die man bereits der Stiefel beraubt hatte. Sie hatte nichts mehr an als eine schlechte, blutdurchtränkte Hose.
    »Immer ran!« ermunterte ihn die Marketenderin. »Runter vom Gaul! An so was mußt du dich gewöhnen. Schau, er hat eins durch den Schädel gekriegt!«
    Eine Gewehrkugel hatte den Gefallenen an der Nase getroffen und war auf der anderen Seite an der Schläfe wieder herausgegangen. Das Antlitz der Leiche war gräßlich entstellt; ein Auge stand offen.
    »Sitz doch ab, Kleiner,« rief die Marketenderin, »und drück dem armen Kerl die Hand! Vielleicht drückt er sie dir

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