Die Kartause von Parma
warf einen Blick auf die zu Boden geschmetterten Husaren. Drei machten noch ein paar krampfhafte Bewegungen; der vierte schrie: »Hebt mich auf!«
Der Wachtmeister und zwei oder drei Mann waren abgesprungen und eilten dem General zu Hilfe, der, von seinem Adjutanten gestützt, einige Schritte zu gehen versuchte, um aus der Nähe seines Pferdes zu kommen, das sich rücklings auf dem Boden wälzte und mit den Hufen wild um sich schlug.
Der Wachtmeister kam auf Fabrizzio zu. Unser Held hörte, wie er hinter seinem Rücken in nächster Nähe sagte: »Der Gaul hier ist der einzige, der noch Galopp geht!«
Er fühlte sich an den Beinen gepackt. Indem man ihm den Körper unter den Armen stützte, hob man ihn hoch und zog ihn über die Kruppe seines Pferdes herunter. Dann ließ man ihn zu Boden gleiten, wo er sitzen blieb.
Der Adjutant ergriff Fabrizzios Pferd am Zügel. Der General saß unter Beihilfe des Wachtmeisters auf und ritt im Galopp weiter. Die übrigen sechs Reiter folgten ihm eiligst.
Fabrizzio sprang wütend auf und rannte ihnen nach mit dem lauten Ruf: »Ladri! Ladri!« (Räuber! Räuber!) Eine komische Sache, mitten auf einem Schlachtfeld Räubern nachzulaufen.
Bald war der Stab mit dem General hinter einer Weidenreihe verschwunden. Fabrizzio kam wutschnaubend ebenfalls an eine Baumreihe; er sah sich vor einem sehr tiefen Graben, über den er hinwegsetzte. Auf der anderen Seite fing er von neuem an zu fluchen, als er, freilich in sehr weiter Entfernung, den General und den Stab nochmals erblickte, bis sie hinter Baumgruppen verschwanden.
»Räuber! Räuber!« rief er wieder, jetzt auf französisch. Verzweifelt, weniger über den Verlust seines Pferdes als über den Verrat, sank er am Grabenrand nieder, müde und halb verhungert. Wenn ihm sein schönes Pferd vom Feind genommen worden wäre, würde er sich keine Gedanken darüber gemacht haben, aber sich beraubt zu sehen von diesem Wachtmeister, den er so geliebt hatte, und von diesen Husaren, die er gleich Brüdern geachtet, das brach ihm das Herz! Er konnte über so viel Niedertracht nicht hinwegkommen, und den Rücken an eine Weide gelehnt, begann er bitterlich zu weinen. Nacheinander nahm er Abschied von all den schönen Träumen von ritterlicher und erhabener Freundschaft, wie sie die Helden des ›Befreiten Jerusalems‹ übten. Dem Tod in das Auge zu sehen, war nichts, wenn man von heldenmütigen und gefühlsfähigen Seelen umgeben ist, von edlen Freunden, die einem beim letzten Atemzug die Hand drücken. Aber wie konnte er seine Begeisterung bewahren inmitten gemeiner Spitzbuben? Fabrizzio übertrieb wie jeder empörte Mensch.
Nach einer Viertelstunde der Rührung nahm er wahr, daß die Kugeln bis in die Baumreihe schlugen, in deren Dunkel er grübelnd saß. Er erhob sich und suchte sich zurecht zu finden. Er betrachtete sich den Wiesenplan, der von einem breiten Graben und einer Reihe buschiger Weiden begrenzt war. Das kam ihm bekannt vor. Eine Infanteriemasse ging durch den Graben und betrat die Wiesen, tausend Schritt von ihm entfernt.
›Ich wäre beinahe eingeschlafen‹, sagte er zu sich. ›Ich darf mich nicht gefangen nehmen lassen.‹ Er begann tüchtigloszumarschieren. Beim Näherkommen beruhigte er sich. Er erkannte die Uniform; die Regimenter, von denen er gefürchtet hatte, abgeschnitten zu werden, waren französische. Er bog nach rechts ab, um zu ihnen zu gelangen.
Zu dem seelischen Schmerz darüber, daß er so schimpflich verraten und bestohlen worden war, gesellte sich ein anderer, der sich mit jedem Augenblick mehr fühlbar machte: er kam vor Hunger um. Darum war er höchst erfreut, als er nach zehn Minuten Marsch oder, besser, Laufschritt bemerkte, daß die Infanteriemasse, die auch sehr flott vorgerückt war, Halt machte, vermutlich, um sich zu entwickeln. Wenige Minuten später war er mitten unter den nächsten Soldaten.
»Kameraden, könnt ihr mir nicht ein Stück Brot verkaufen?«
»Das dumme Luder hält uns für Bäcker!«
Dieses grobe Wort und das allgemeine Hohngelächter, das darauf folgte, gaben Fabrizzio den Rest. Der Krieg war also nicht mehr jener edle allgemeine Aufschwung ruhmliebender Seelen, wie er sich nach den Aufrufen Napoleons eingebildet hatte! Er setzte sich, oder vielmehr, er sank auf den Rasen nieder. Er ward totenbleich. Der Soldat, der mit ihm gesprochen hatte und der stehen geblieben war, um sein Gewehrschloß mit dem Sacktuch abzuwischen, kam heran und warf ihm ein Stück Brot zu. Als er sah,
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