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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Korporal fluchend, »Arme und Beine zerschmettert kriegen! Laffenpack! Alle miteinander habt ihr euch an die Bourbonen verkauft, ihr Kaiserverräter!«
    Fabrizzio war von dieser fürchterlichen Beschuldigung tief ergriffen.
    Gegen zehn Uhr abends erreichte der kleine Trupp wieder das Regiment, am Eingang eines großen Dorfes mit mehreren sehr engen Gassen. Fabrizzio bemerkte, daß der Korporal Aubry die Nähe von Offizieren mied.
    »Unmöglich, vorwärts zu kommen!« polterte der Korporal.
    Alle Dorfstraßen wimmelten von Infanterie, Kavallerie und besonders von Munitions- und Futterwagen. Der Korporal versuchte in drei Gassen, durchzuschlüpfen.
    Nirgends kam man nach zwanzig Schritt weiter. Alles fluchte und schimpfte.
    »Hier kommandiert gewiß wieder so ein Verräter!« rief der Korporal. »Wenn der Feind so schlau ist, das Dorf zu umstellen, dann sitzen wir in der Falle! Kommt, folgt mir!«
    Fabrizzio sah sich um. Nur noch sechs Mann waren hinter dem Korporal. Durch ein großes Tor, das offen stand, gelangten sie in einen geräumigen Wirtschaftshof, von da in einen Stall, aus dem ein Türchen in den Garten führte. Dort verloren sie ein paar Augenblicke, da sie nicht gleich einen Ausweg fanden. Aber nach einigem Umherirren übersprangen sie eine Hecke und kamen in ein Weizenfeld. Nach einer knappen halben Stunde gewannen sie, von dem Geschrei und dem verworrenen Lärm geleitet, die Landstraße am anderen Ausgang des Dorfes. Die Straßengräben waren dort voller weggeworfener Gewehre. Fabrizzio suchte sich eines heraus. Die Straße war trotz ihrer Breite so von Flüchtlingen und Fahrzeugen vollgepfropft, daß der Korporal und Fabrizzio in einer halben Stunde kaum fünfhundert Schritt weiter kamen. Es hieß, die Straße führe nach Charleroi. Als es von der Dorf kirche elf Uhr schlug, rief der Korporal: »Wir müssen von neuem querfeldein laufen!«
    Der kleine Trupp bestand nur noch aus drei Soldaten, dem Korporal und Fabrizzio. Als man tausend Schritt von der Heerstraße weg war, sagte einer der Soldaten: »Ich kann nicht mehr.«
    »Ich auch nicht!« ein anderer.
    »Das ist ja reizend! Da sitzen wir alle miteinander da!« sagte der Korporal. »Aber folgt mir nur! Ihr werdet gut dabei fahren!«
    Er bemerkte fünf, sechs Bäume, die längs eines kleinen Grabens mitten in einem riesigen Getreidefeld standen.
    »Nach den Bäumen!« befahl er seinen Leuten. Als sie die Stelle erreicht hatten, sagte er: »Legt euch hier hin und verhaltet euch mäuschenstill! Aber ehe wir einschlafen: Wer hat noch ein Stück Brot?«
    »Ich!« meldete einer der Soldaten.
    »Her damit!« sagte der Korporal herrisch. Er teilte das Brot in fünf Teile und nahm sich den kleinsten.
    Während er aß, sagte er: »Eine Viertelstunde vor Tagesanbruch werden wir die feindliche Kavallerie im Nacken haben. Wir dürfen uns nicht niederhauen lassen. Ein einzelner ist verloren in diesem offenen, ebenen Gelände, wenn Kavallerie ihn verfolgt. Fünfe aber können sich retten. Bleibt mir gut zusammen und schießt nur auf ganz nahe Ziele! Ich mache mich anheischig, euch morgen abend nach Charleroi zu bringen.«
    Eine Stunde vor Tagesanbruch weckte der Korporal die anderen und ließ die Gewehre neu laden. Der Lärm auf der Heerstraße dauerte an. Er hatte die ganze Nacht hindurch nicht aufgehört. Er klang wie das Brausen eines fernen Stromes.
    »Wie aufgescheuchte Hammel!« meinte Fabrizzio arglos zum Korporal.
    »Willst du wohl dein Maul halten, du Grünschnabel!« sagte der Korporal empört. Und die drei Soldaten, die mit Fabrizzio sein Heer ausmachten, blickten ihn ebenfalls mit Zornesblicken an, als ob er gelästert hätte. Er hatte die Nation beleidigt.
    ›Das ist doch stark‹, dachte unser Held. ›Diese Beobachtung habe ich schon unter dem Vizekönig in Mailand gemacht. Sie fliehen nicht. Gott bewahre! Diesen Franzosen darf man die Wahrheit nicht sagen, wenn sie ihre Eitelkeit verletzt. Aber über ihre kläglichen Gesichter lache ich, und das muß ich sie merken lassen.‹
    Sie marschierten immer fünfhundert Schritt abseits vom Strom der Flüchtlinge, der die Heerstraße füllte. Eine Stunde danach kamen sie über einen Seitenweg, der von der großen Straße abzweigte und an dem eine Menge Soldaten lagerte. Einem kaufte Fabrizzio ein leidlich gutes Pferd ab, das ihn vierzig Franken kostete, und unter den umherliegenden Säbeln suchte er sich sorgfältig einen langen Pallasch aus. ›Einen zum Stechen!‹ dachte er beisich. ›Die sollen am besten

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