Die Kartause von Parma
daß jener es nicht aufhob, steckte er ihm ein Stück davon in den Mund. Fabrizzio schlug die Augen auf und aß das Brot, hatte aber nicht die Kraft, etwas zu sagen. Und als er den Soldaten mit den Augen suchte, um ihn zu bezahlen, sah er sich allein. Die nächsten Soldaten waren bereits hundert Schritt weit im Vormarsch. Mechanisch erhob er sich und folgte ihnen.
Er trat in ein Gehölz, nahe daran, vor Ermattung umzufallen, und suchte schon mit dem Auge einen geeigneten Fleck. Wie groß war da seine Freude, als er erst das Pferd, dann das Wägelchen und schließlich die Marketenderinvom Vormittag wiedererkannte! Sie eilte auf ihn zu und war erschrocken über sein Aussehen.
»Komm nur mit, mein Jungchen!« sagte sie zu ihm.
»Du bist wohl verwundet? Und dein schönes Pferd ...?«
Mit diesen Worten führte sie ihn an ihren Wagen, ließ ihn hinaufklettern und stützte ihn dabei unter dem Arm. Kaum im Wagen, fiel unser Held, von Müdigkeit überwältigt, in tiefen Schlaf.
Viertes Kapitel
Nichts vermochte ihn zu wecken, weder das Gewehrfeuer, das den kleinen Wagen umknatterte, noch das Traben des Pferdchens, das die Marketenderin mit der Peitsche antrieb. Das Regiment war unversehens von preußischen Kavallerieschwärmen angegriffen worden, nachdem es den ganzen Tag über an den Sieg geglaubt hatte. Jetzt ging es zurück, oder vielmehr: es floh in der Richtung auf die französische Grenze.
Der Oberst, ein schöner junger Dandy, der unlängst das Regiment von Macon übernommen hatte, wurde niedergesäbelt. Einer der Bataillonskommandeure, der an seine Stelle trat, ein alter Krieger mit weißem Haar, ließ das Regiment Halt machen.
»Zum Teufel!« schrie er den Soldaten zu. »Zu Zeiten der Republik wartete man mit dem Auskneifen, bis einen der Feind dazu zwang. Jeden Zollbreit Erde müßt ihr verteidigen! Und wenn ihr totgeschossen werdet!« fluchte er. »Euer Vaterland ists, das die Preußen besetzen wollen!«
Das Wägelchen hielt, und Fabrizzio wachte plötzlich auf. Die Sonne war schon lange untergegangen. Er war ganz verdutzt, als er sah, daß es beinahe Nacht geworden war. Die Soldaten hasteten zu beiden Seiten in wirrer Unordnung dahin. Unserem Helden kam das seltsam vor. Sie sahen ihm alle recht kläglich aus.
»Was ist denn los?« fragte er die Marketenderin.
»Nichts. Wir sind die Gepritschten, mein Jungchen! Die preußische Kavallerie verhaut uns, weiter nichts. Der Esel von einem General hat erst geglaubt, es sei unsere eigene. – Los, komm! Hilf mir mal den Strang von Kokotte zusammenbinden! Er ist gerissen.«
Zehn Schritt weit fielen ein paar Schüsse. Unser Held, wieder frisch und kampflustig, meinte bei sich: ›Eigentlich bin ich den ganzen Tag über gar nicht ins Gefecht gekommen; ich war nur im Gefolge eines Generals.‹
»Ich muß ins Feuer!« sagte er laut zur Marketenderin.
»Beruhige dich! Du kommst schon noch ins Feuer, und mehr, als du willst! Wir sind futsch! – Aubry, mein Junge,« rief sie einem Korporal zu, der vorbeimarschierte, »vergiß nicht, dich ab und zu nach meinem Karren umzugucken!«
»Gehen Sie ins Gefecht?« fragte Fabrizzio den Unteroffizier.
»Nee, nur auf den Tanzboden!«
»Ich komme mit!«
»Den kleinen Husaren kann ich dir empfehlen. Der Bursche hat Mut!« rief die Marketenderin.
Der Korporal Aubry schritt stumm seines Wegs. Acht bis zehn Soldaten stießen in eiligem Lauf zu ihm. Er führte sie hinter eine mächtige Eiche, die von Brombeersträuchern umgeben war. Dort angekommen, stellte er sie längs des Waldrandes auf, immer noch, ohne einen Ton zu reden, in weiten Abständen, mindestens zehn Schritt voneinander entfernt.
»Nun paßt mal auf!« sagte er dann, und das war das erste, was er sprach. »Gebt nicht eher Feuer, als bis ichs befehle. Denkt daran, daß jeder nur drei Patronen hat!«
›Was geht denn eigentlich vor?‹ fragte sich Fabrizzio. Als er schließlich allein mit dem Korporal dastand, sagte er zu ihm: »Ich hab kein Gewehr!«
»Zunächst halts Maul! Lauf ein Stück vor! Da, fünfzig Schritt vor dem Gehölz, findest du welche bei den armenKerlen des Regiments, die vorhin niedergehauen worden sind. Nimm dir Flinte und Patronentasche, aber von keinem Verwundeten, und flink, sonst kriegst du Feuer von unseren eigenen Leuten!«
Fabrizzio lief hin und kam alsbald mit einem Gewehr und einer Patronentasche zurück.
»Lade dein Gewehr und stell dich dort hinter den Baum! Vor allem schießt du nicht eher, als ichs befehle. – Herr, du mein
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