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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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galoppierte wieder an. Man durchquerte ein weites Ackerfeld, das sich längs des Wassergrabens hindehnte. Dieses Feld war mit Toten besät.
    »Rotröcke! Rotröcke!« [Rotröcke: Gefallene englische Soldaten.] jubelten die Husaren des Stabes laut auf. Zunächst verstand Fabrizzio sie nicht; endlich bemerkte er,daß tatsächlich fast alle Gefallenen rote Röcke anhatten. Eine Beobachtung flößte ihm tiefen Schauder ein. Er sah, daß viele dieser unglücklichen Rotröcke noch lebten; sie jammerten ersichtlich um Hilfe, aber kein Mensch machte Halt, um sie ihnen zu gewähren. Unser Held, ein großer Menschenfreund, gab sich alle Mühe, keinen Rotrock zu überreiten. Der Stab brachte die Pferde zum Stehen. Fabrizzio, der nicht recht auf seine Soldatenpflichten acht gab, galoppierte weiter, die Augen immer auf die unglücklichen Verwundeten gerichtet.
    »Willst du gleich halten, du Grünschnabel!« brüllte ihm der Wachtmeister nach. Fabrizzio merkte, daß er zwanzig Schritt über die Generale hinausgeprellt war, gerade in der Richtung, in der sie die Ferngläser hielten. Er ritt zurück und stellte sich zu den letzten Husaren, die ein paar Schritte rückwärts hielten. Er sah, wie der dickste der Generale mit seinem Nachbar, gleichfalls einem General, mit gebieterischer Miene, fast vorwurfsvoll, sprach; er fluchte sogar. Fabrizzio konnte seine Neugier nicht bändigen, und ungeachtet des guten Rates seiner Freundin, der Kerkermeisterin, kein Wort zu reden, legte er sich einen kleinen, leidlich richtigen französischen Satzzurecht und fragte seinen Nachbar: »Wer ist der General, der den anderen so anschnauzt?«
    »Na, der Marschall!«
    »Welcher Marschall?«
    »Der Marschall Ney [Michel Ney (1769-1815), Fürst von der Moskwa, der populärste General Napoleons. Er führte bei Waterloo die Alte Garde. Nach dem Sturze Napoleons wurde er standrechtlich erschossen.] , du Schafskopf! Wo hast du denn bis jetzt gestanden?«
    Fabrizzio, sonst so empfindlich, dachte gar nicht daran, sich über die Beleidigung zu ärgern. In kindlicher Bewunderung starrte er den berühmten Fürsten von der Moskwa an, den Tapfersten der Tapferen.
    Plötzlich ritt alles wieder in starkem Galopp an. Ein paar Augenblicke später bemerkte Fabrizzio zwanzig Schritt vor sich auf einem umgeackerten Stück Feld eine eigentümliche Erscheinung. Der Grund der Ackerfurchen stand voll Wasser, und von der sehr feuchten Erde, die den Kamm der Furchen bildete, spritzten kleine schwarze Stückchen drei bis vier Schritt hoch, Fabrizzio beobachtete diesen sonderbaren Vorgang im Vorbeireiten, dann verloren sich seine Gedanken wieder in Träumereien über den Heldenruhm des Marschalls. Da vernahm er einen gellenden Schrei neben sich. Er kam von zwei Husaren, die, von Geschossen getroffen, stürzten, und als er sich nach ihnen umsah, lagen sie schon zwanzig Schritt hinter den Reitern. Etwas machte ihm einen grausigen Eindruck: Ein blutüberströmtes Pferd wälzte sich auf dem Acker und verwickelte sich mit den Beinen in seine eigenen Gedärme; es wollte den anderen nach. Das Blut rann in den Kot.
    ›Ah! Jetzt bin ich doch endlich im Feuer!‹ sagte sich Fabrizzio. ›Ich habe meine Feuertaufe erhalten!‹ wiederholte er mit Befriedigung. ›Nun bin ich ein wirklicher Soldat!‹
    Nun jagte der Stab in voller Fahrt dahin. Unser Held begriff, daß es Gewehrkugeln waren, unter denen ringsum das Erdreich aufspritzte. Umsonst spähte er nach der Seite, von der die Geschosse kamen; er sah nur den weißen Rauch einer Batterie in riesiger Entfernung; abermitten in dem gleichförmigen und ununterbrochenen Rollen des Geschützfeuers kam es ihm vor, als werde auch viel näher geschossen. Er begriff nichts von alledem.
    In diesem Augenblick ritten die Generale und der ganze Stab in einen kleinen Hohlweg voll Wasser hinab, der fünf Fuß unter der Ebene lag. Der Marschall machte Halt und beobachtete wiederum mit seinem Fernglas. Diesmal konnte ihn Fabrizzio nach Herzenslust betrachten. Er kam ihm überaus blond vor, mit seinem dicken, roten Kopf. ›Solche Gesichter haben wir in Italien überhaupt nicht‹, sagte er zu sich selbst. ›Ich mit meinem kastanienbraunen Haar und meiner blassen Farbe, ich kann niemals so werden wie der da‹, fügte er traurig hinzu. Damit meinte er im Grunde: ›Nie werde ich ein Held!‹ Er sah die Husaren an; mit Ausnahme eines einzigen hatten sie alle blonde Schnurrbärte. Wie Fabrizzio die Husaren musterte, so musterten sie ihn alle wieder. Als er

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