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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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Wunsch frei.«
    Joan wusste bereits von der Absicht des Königs, denn seine Boten hatten es ihm mitgeteilt. Er überlegte genau. Auf Anraten seiner Lehrer war er dem Franziskanerorden beigetreten, doch im Kloster Framenors eingetroffen, wurde der Junge bitter enttäuscht: Wo waren die Bücher? Wo das Wissen? Die Arbeit und das Studium? Als er sich schließlich an den Prior von Framenors wandte, erinnerte ihn dieser geduldig an die drei Grundregeln des Ordensgründers Franz von Assisi: »Einfachheit, Armut und Bescheidenheit. So sollen wir Franziskaner leben.«
    Doch Joan wollte wissen, studieren, lesen, lernen. Hatten seine Lehrer ihm nicht versichert, auch dies sei ein Weg des Herrn? Joan betrachtete jeden Dominikanermönch, dem er begegnete, mit Neid. Der Dominikanerorden widmete sich hauptsächlich dem Studium der Philosophie und Theologie und hatte vielerorts Universitäten gegründet. Joan wollte dem Dominikanerorden angehören und seine Studien an der renommierten Universität von Bologna fortsetzen.
    »So soll es geschehen«, sprach der König, nachdem er Joan angehört hatte. Der junge Mönch bekam eine Gänsehaut. »Wir hoffen, dass du eines Tages in Unser Reich zurückkehrst, um die moralische Autorität, welche Kenntnis und Wissen verleihen, zum Wohle deines Königs und seines Volkes auszuüben.«

26
    Mai 1343
Santa María del Mar
Barcelona
    Fast zwei Jahre waren vergangen, seit der Stadtrichter von Barcelona das Urteil über Jaime III. König von Mallorca, gesprochen hatte. Die Glocken der ganzen Stadt läuteten ohne Unterlass. In der Kirche Santa María, deren Mauern noch offen waren, hörte Arnau ihr Läuten mit Beklemmung. Der König hatte zum Krieg gegen Mallorca aufgerufen und die Stadt hatte sich mit Adligen und Soldaten gefüllt. Von seinem Platz vor der Sakramentskapelle sah Arnau sie in der Menschenmenge stehen, die sich in der Kirche und auf dem Vorplatz drängte. In sämtlichen Kirchen Barcelonas wurde die Messe für das katalanische Heer gelesen.
    Arnau war müde. Der König hatte seine Flotte in Barcelona zusammengezogen und die Bastaixos arbeiteten seit Tagen ohne Unterlass. Hundertsiebzehn Schiffe! Noch nie hatte man so viele Schiffe auf einmal gesehen: zweiundzwanzig große Kriegsgaleeren, sieben bauchige Koggen für den Transport der Pferde sowie acht große Segelschiffe mit zwei oder drei Decks für den Transport der Soldaten. Der Rest waren mittelgroße und kleine Schiffe. Das Meer war mit Masten übersät und die Schiffe fuhren im Hafen ein und aus.
    Bestimmt war es eine dieser nun bewaffneten Galeeren gewesen, auf der Joan vor mehr als einem Jahr im schwarzen Habit der Dominikaner nach Bologna aufgebrochen war. Arnau hatte ihn bis zum Ufer begleitet. Joan war in ein Boot gesprungen, hatte sich mit dem Rücken zum Meer auf die Ruderbank gesetzt und ihm zugelächelt. Arnau sah ihn an Bord der Galeere gehen, und als die Ruderer sich in die Riemen legten, merkte er, wie ihm das Herz schwer wurde und Tränen über seine Wangen rollten. Er war allein.
    Und daran hatte sich nichts geändert. Arnau blickte sich um. Noch immer läuteten sämtliche Kirchenglocken der Stadt. Adel, Klerus, Soldaten, Händler, Handwerker und das einfache Volk drängten sich in der Kirche Santa María. Seine Zunftbrüder standen fest an seiner Seite, und doch fühlte er sich alleine. Seine Träume, sein ganzes Leben waren vergangen wie die alte romanische Kirche, die dem neuen Gotteshaus Platz gemacht hatte. Sie war verschwunden. Nichts deutete mehr auf den kleinen Bau hin. Von dort, wo er stand, konnte er das gewaltige, breite Mittelschiff sehen, eingerahmt von den Oktogonalpfeilern, auf denen später die Gewölbe ruhen würden. Jenseits der Pfeiler wuchsen die Außenmauern der Kirche Stein für Stein geduldig in den Himmel.
    Arnau blickte nach oben. Der Schlussstein des ersten Mittelschiffgewölbes war bereits an seinem Platz, nun wurde an den Gewölben der Seitenschiffe gearbeitet. Als Motiv für diesen zweiten Schlussstein hatte man die Geburt Christi gewählt. Der Chor war bereits vollständig eingewölbt. Das nächste Joch, das erste des riesigen, langgestreckten Mittelschiffs, das noch nicht geschlossen war, erinnerte an ein Spinnennetz: Die vier Gewölberippen zeichneten sich vor dem Himmel ab, und mittendrin saß der Schlussstein wie eine Spinne, die auf Beute zu lauern schien. Arnau betrachtete lange diese feinen Bögen. Er wusste, wie es sich anfühlte, in einem Spinnennetz zu zappeln! Aledis setzte ihm

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