Die Kathedrale des Meeres
sie hören. Auch Arnau hatte sie schon einige Male vernommen.
»Es heißt«, flüsterte er Maria zu, »einige französische Ritter hätten einen Almogavaren gefangen genommen und ihn vor den Fürsten Karl von Salerno geführt. Dieser beleidigte ihn, indem er ihn einen armen Lumpen und Wilden schmähte, und machte sich über die katalanischen Truppen lustig.« Weder Arnau noch Maria wandten einen Blick von den Söldnern, die dort in die Boote stiegen. »Daraufhin forderte der Almogavare in Gegenwart des Fürsten und seiner Ritter den Besten seiner Männer heraus. Er selbst würde zu Fuß kämpfen, nur mit seiner Lanze bewaffnet, der Franzose zu Pferde und mit seiner ganzen Rüstung.« Arnau schwieg einen Moment, doch Maria sah ihn an und drängte ihn fortzufahren. »Die Franzosen lachten über den Katalanen, gingen jedoch auf die Herausforderung ein. Man begab sich auf ein freies Feld in der Nähe des französischen Feldlagers, und dort besiegte der Almogavare seinen Widersacher, nachdem er das Pferd getötet hatte und sich die mangelnde Beweglichkeit des Ritters im Zweikampf zunutze machte. Als er sich anschickte, den Unterlegenen zu enthaupten, schenkte Karl von Salerno ihm die Freiheit.«
»Es stimmt«, sagte eine Stimme hinter ihnen. »Sie kämpfen wie leibhaftige Teufel.«
Arnau spürte, wie Maria sich an ihn schmiegte und seinen Arm umklammerte, ohne indes den Blick von den Söldnern zu wenden. Was suchst du, Maria? Schutz? Wenn du wüsstest! Ich bin nicht einmal in der Lage, mich meinen eigenen Schwächen zu stellen. Glaubst du, einer von ihnen könnte dir mehr Leid zufügen, als ich es tue? Sie kämpfen wie die Teufel. Arnau sah sie an: Männer, die frohen Mutes in den Krieg zogen und ihre Familien zurückließen. Warum … Warum sollte er nicht dasselbe tun?
Die Einschiffung der Männer zog sich über Stunden hin. Maria ging nach Hause und Arnau schlenderte durch die Menschenmenge am Strand. Hin und wieder traf er einige seiner Zunftbrüder.
»Warum so eilig?«, fragte er Ramon und deutete zu den Booten, die unablässig hin- und herfuhren, voll beladen mit Soldaten. »Das Wetter ist gut. Es sieht nicht nach Sturm aus.«
»Du wirst schon sehen«, entgegnete Ramon.
In diesem Augenblick war das erste Wiehern zu hören. Bald waren es Hunderte. Die Pferde hatten außerhalb der Stadtmauern gewartet, und nun waren sie an der Reihe, verschifft zu werden. Von den sieben Koggen, die zum Transport der Tiere vorgesehen waren, waren einige bereits mit Pferden beladen. Diese waren entweder mit den Adligen aus Valencia gekommen oder in den Häfen von Salou, Tarragona oder im Norden Barcelonas eingeschifft worden.
»Lass uns verschwinden«, drängte Ramon. »Das hier wird eine regelrechte Schlacht werden.«
Als sie eben den Strand verließen, erschienen die ersten Pferde am Zügel ihrer Stallburschen. Es waren riesige Streitrösser, die ausschlugen, unruhig tänzelten und die Zähne bleckten, während ihre Pfleger alle Mühe hatten, sie im Zaum zu halten.
»Sie wissen, dass es in den Krieg geht«, bemerkte Ramon, während sie zwischen den am Strand liegenden Booten Schutz suchten.
»Sie wissen es?«
»Natürlich. Immer wenn sie an Bord eines Schiffes gebracht werden, geht es in den Krieg. Sieh nur.« Arnau blickte zum Meer. Vier bauchige Koggen, die nur geringen Tiefgang hatten, kamen so nahe wie möglich ans Ufer und öffneten die Rampen am Achterdeck. Diese schlugen auf dem Wasser auf und gaben den Blick ins Innere der Schiffe frei. »Und die, die es nicht wissen«, fuhr Ramon fort, »lassen sich von den Übrigen anstecken.«
Bald war der Strand voller Pferde, Hunderte großer, stämmiger, für den Kampf ausgebildete Schlachtrösser. Die Stallburschen und Knappen rannten hin und her, während sie versuchten, den Tritten und Bissen der Tiere zu entgehen. Arnau sah mehr als einen durch die Luft fliegen, nachdem er getreten oder gebissen worden war. Es herrschte heilloses Durcheinander und ein ohrenbetäubender Lärm.
»Worauf warten sie?«, schrie Arnau.
Ramon wies erneut auf die Koggen. Mehrere Knappen wateten mit einigen Pferden durch das brusttiefe Wasser.
»Das sind die erfahrensten Tiere. Wenn sie erst einmal drin sind, laufen ihnen die anderen hinterher.«
Und so war es. Als die Pferde das Ende der Rampen erreichten, drehten die Knappen sie in Richtung Strand, und die Tiere begannen laut zu wiehern.
Das war das Signal.
Die Herde stürzte sich in die Fluten. Das Wasser schäumte und für einen Moment
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