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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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den Augen des Verwalters, der ihre Arbeit überwachte.
    Llorenç de Bellera hatte viele Bastarde, doch noch nie waren irgendwelche Forderungen erfolgreich gewesen. Sein Wort galt mehr als das einer ungebildeten Bäuerin, doch unter seinesgleichen wurde er nicht müde, mit seiner Männlichkeit zu prahlen. Es war offensichtlich, dass Arnau Estanyol nicht sein Sohn war, und der Herr von Navarcles begann ein spöttisches Grinsen bei den Bäuerinnen zu bemerken, die zur Burg kamen. Von seinen Gemächern aus sah er, wie sie untereinander und sogar mit seinen Soldaten tuschelten, wenn sie Estanyols Frau begegneten. Das Gerücht machte nicht nur unter den Bauern die Runde und Llorenç de Bellera wurde zum Gespött von seinesgleichen.
    »Iss nur tüchtig, Bellera«, ermunterte ihn grinsend ein Baron, der zu Besuch auf der Burg weilte, »mir ist zu Ohren gekommen, dass du Kräfte brauchst.«
    Alle Anwesenden, die am Tisch des Herrn von Navarcles saßen, quittierten die Bemerkung mit schallendem Gelächter.
    »Auf meinem Grund und Boden«, erklärte ein anderer, »lasse ich nicht zu, dass ein Bauernweib meine Männlichkeit infrage stellt.«
    »Lässt du etwa Muttermale verbieten?«, gab der Erste, schon unter dem Einfluss des Weins, zurück und erntete erneutes Gelächter, das Llorenç de Bellera mit einem gezwungenen Lächeln beantwortete.
    Es geschah Anfang August. Arnau schlief in seiner Wiege im Schatten eines Feigenbaums auf dem Vorplatz des Gehöfts. Seine Mutter arbeitete im Garten bei den Ställen, und sein Vater, der stets ein Auge auf die hölzerne Wiege hatte, trieb die Ochsen immer wieder über das Getreide, das er im Hof ausgebreitet hatte, um die wertvollen Körner aus den Ähren zu dreschen, die sie während des Jahres ernähren sollten.
    Sie hörten sie nicht kommen. Drei Reiter preschten im Galopp auf den Hof: Es waren der Verwalter Llorenç de Belleras sowie zwei weitere Männer. Sie waren bewaffnet und saßen auf beeindruckenden Schlachtrössern, die speziell für den Krieg gezüchtet worden waren. Bernat bemerkte, dass die Pferde nicht gepanzert waren wie bei den Ausritten seines Herrn. Wahrscheinlich hatten sie es nicht für nötig erachtet, sie zu wappnen, um einen einfachen Bauern einzuschüchtern. Der Verwalter hielt sich ein wenig abseits, aber die anderen beiden gaben ihren Tieren die Sporen. Die Pferde, die für den Kampf abgerichtet waren, zögerten nicht und gingen auf Bernat los. Bernat stolperte rückwärts und fiel schließlich hin, genau neben die Hufe der unruhigen Tiere. Erst jetzt zügelten die Reiter ihre Pferde.
    »Dein Herr«, rief der Verwalter, »Llorenç de Bellera, verlangt nach den Diensten deiner Frau als Amme für Don Jaume, den Sohn deiner Herrin Doña Caterina.«
    Bernat versuchte aufzustehen, doch einer der Reiter gab seinem Pferd erneut die Sporen.
    Der Verwalter wandte sich an Francesca: »Nimm dein Kind und komm mit!«
    Francesca nahm Arnau aus der Wiege und ging mit gesenktem Kopf hinter dem Pferd des Verwalters her. Bernat schrie auf und versuchte aufzustehen, doch bevor es ihm gelang, ging ihn einer der Reiter erneut mit seinem Pferd an und warf ihn um. Er versuchte es erneut, immer wieder, jedes Mal mit dem gleichen Ergebnis: Die beiden Reiter trieben unter Gelächter ihr Spiel mit ihm, indem sie ihm nachsetzten und ihn umwarfen. Schließlich blieb er keuchend und kraftlos auf dem Boden liegen, genau vor den Vorderläufen der Tiere, die unruhig auf ihren Trensen kauten. Als der Verwalter in der Ferne verschwunden war, machten die Reiter kehrt und gaben ihren Pferden die Sporen.
    Es war wieder still auf dem Hof. Bernat blickte der Staubwolke hinterher, die die Reiter hinterließen, und sah dann hinüber zu den Ochsen, die sich an den Ähren gütlich taten, über die sie wieder und wieder getrottet waren.
    Von jenem Tag an versorgte Bernat mechanisch das Vieh und die Felder, während er in Gedanken bei seinem Sohn war. Nachts wanderte er durchs Haus. Er vermisste das Kindergebrabbel, das Leben und Zukunft verhieß, das Knarren der Wiege, wenn Arnau sich bewegte, das durchdringende Weinen, wenn er Hunger hatte. Er versuchte in jedem Winkel, an den Wänden, überall den unschuldigen Duft seines Jungen zu erhaschen. Wo er jetzt wohl schlief? Da stand sein Bettchen, das er mit seinen eigenen Händen getischlert hatte. Wenn er schließlich Schlaf fand, weckte ihn die Stille wieder auf. Dann kauerte sich Bernat auf der Matratze zusammen und ließ die Stunden verstreichen. Die

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