Die Kathedrale des Meeres
sich auf dem ganzen Weg nicht einmal um. Auch bei seiner Ankunft gönnte er sich keinen Moment Ruhe. Er legte Arnau in die Wiege, holte einen Sack und tat gemahlenes Getreide und getrocknetes Gemüse hinein, einen Schlauch mit Wasser und einen zweiten mit Milch, Pökelfleisch, eine Schüssel, einen Löffel und Kleider, etwas Geld, das er versteckt hatte, ein Jagdmesser und seine Armbrust … Wie stolz war sein Vater auf diese Armbrust gewesen!, dachte er, während er sie in der Hand wog. Mit ihr hatten die Estanyols an der Seite des Grafen Ramón Borrell gekämpft, als sie noch freie Männer gewesen waren. Frei! Bernat band sich das Kind vor die Brust und schulterte den Rest. Er würde immer ein Leibeigener sein, es sei denn …
»Fürs Erste werden wir Flüchtlinge sein«, sagte er zu dem Kind, bevor er sich auf den Weg ins Gebirge machte. »Niemand kennt diese Berge besser als die Estanyols«, versicherte er ihm, als sie schon zwischen den Bäumen waren. »Wir sind immer schon hier auf die Jagd gegangen, weißt du.« Bernat ging durch den Wald bis zu einem Bach, stieg hinein und watete bis zu den Knien im Wasser bachaufwärts. Arnau hatte die Augen geschlossen und schlief, aber Bernat sprach weiter mit ihm. »Die Hunde des Herrn sind nicht besonders schlau, sie wurden zu oft misshandelt. Wir gehen bis ganz nach oben, wo der Wald dichter wird und man mit dem Pferd nur schwer vorankommt. Die Herrschaften jagen nur zu Pferde, und dorthin kommen sie nie. Sie würden sich ihre Kleider zerreißen. Und die Soldaten … Weshalb sollten sie hier jagen? Sie begnügen sich damit, uns das Essen wegzunehmen. Wir werden uns verstecken, Arnau. Niemand wird uns finden, ich schwöre es dir.« Bernat streichelte das Gesicht seines Sohnes, während er weiter den Bach hinaufwatete.
Am Nachmittag machte Bernat Rast. Der Wald war so dicht geworden, dass die Bäume bis an den Bach heranreichten und den Himmel vollständig verdeckten. Er setzte sich auf einen Felsbrocken und betrachtete seine Beine, die weiß waren und aufgeweicht vom Wasser. Erst jetzt nahm er den Schmerz in seinen Füßen wahr, aber er gab nichts darauf. Er legte das Gepäck ab und band Arnau los. Der Kleine hatte die Augen geöffnet. Er vermischte Milch mit Wasser, fügte gemahlenes Getreide hinzu, rührte die Mischung um und hielt dem Kind die Schüssel an die Lippen. Arnau verzog das Gesicht. Bernat tauchte einen Finger in den Bach, tunkte ihn dann in den Brei und versuchte es erneut. Nach mehreren Versuchen reagierte Arnau und ließ sich von seinem Vater mit dem Finger füttern. Als die Schüssel leer war, schloss er die Augen und schlief ein. Bernat aß nur ein wenig Pökelfleisch. Er hätte sich gerne ausgeruht, aber er hatte noch einen weiten Weg vor sich.
»Die Höhle der Estanyols«, so hatte sein Vater sie genannt. Sie erreichten sie im Dunkeln, nachdem sie eine weitere Rast eingelegt hatten, damit Arnau etwas zu essen bekam. Man betrat die Höhle durch einen schmalen Spalt im Fels, den Bernat, sein Vater und zuvor sein Großvater von innen mit Baumstämmen verschlossen hatten, um geschützt vor Unwetter und wilden Tieren zu schlafen, wenn sie auf der Jagd waren.
Er machte ein Feuer vor dem Eingang der Höhle und ging dann mit einer Fackel hinein, um sich zu vergewissern, dass kein Tier darin hauste. Dann legte er Arnau auf ein improvisiertes Lager aus dem Sack und trockenem Reisig und fütterte ihn erneut. Der Kleine nahm die Nahrung an und fiel dann in einen tiefen Schlaf, genau wie Bernat, der nicht einmal mehr die Kraft hatte, von dem Pökelfleisch zu essen. Hier waren sie in Sicherheit vor dem Grundherrn, dachte er, bevor er die Augen schloss und, dem Atem seines Sohnes lauschend, einschlief.
Llorenç de Bellera preschte mit seinen Männern im gestreckten Galopp davon, nachdem der Schmiedemeister seinen Gehilfen tot in einer Blutlache gefunden hatte. Arnaus Verschwinden und die Tatsache, dass sein Vater auf der Burg gesehen worden war, wiesen direkt auf Bernat hin. Der Herr von Navarcles, der hoch zu Pferde vor dem Tor des Gehöfts der Estanyols wartete, lächelte, als seine Männer ihm mitteilten, dass drinnen großes Durcheinander herrsche und Bernat offensichtlich mit seinem Sohn geflohen sei.
»Nach dem Tod deines Vaters bist du noch einmal davongekommen«, presste er hervor, »aber jetzt wird all das mir gehören. Sucht ihn!«, rief er seinen Männern zu. Dann wandte er sich an seinen Verwalter: »Mach eine Aufstellung aller Güter, des
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