Die Kathedrale des Meeres
dreitausend Mann trotzend, die schweigend dastanden und zu verstehen versuchten, was sie soeben gehört hatten.
»Gelobt sei der Herr!«, rief Joan.
Arnau sah ihn erstaunt an. Alle wandten sich dem Mönch zu, auch Elionor.
»Was soll das?«, fragte Arnau.
»Arnau …« Joan fasste seinen Bruder am Arm und erhob die Stimme, laut genug, damit ihn die Anwesenden hören konnten. »Dies ist nichts anderes als die Folge unserer eigenen Nachlässigkeit.« Arnau fuhr zusammen. »Jahrelang haben wir Mars Launen nachgegeben und unsere Pflichten gegenüber einer schönen, gesunden jungen Frau vernachlässigt, die bereits Kinder haben sollte, wie es ihre Bestimmung gewesen wäre. So will es das göttliche Gesetz, und es ist nicht an uns, seine Wege zu durchkreuzen.« Arnau wollte etwas erwidern, doch Joan brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Ich fühle mich schuldig. Seit Jahren fühle ich mich schuldig, weil ich zu nachgiebig gegenüber einer launischen Frau gewesen bin, deren Leben in den Augen der heiligen katholischen Kirche sinnlos war. Dieser Ritter« – er deutete auf Felip de Ponts – »ist nichts anderes als die Hand Gottes. Der Herr hat ihn gesandt, um das zu tun, wozu wir nicht imstande waren. Ja, jahrelang habe ich mich schuldig gefühlt, wenn ich sah, wie die Schönheit und die Gesundheit dahinwelkten, die Gott diesem Mädchen schenkte, welches das Glück hatte, von einem gütigen Menschen wie dir aufgenommen zu werden. Ich will mich nicht auch noch am Tod eines Mannes schuldig fühlen, der unter Einsatz seines eigenen Lebens, das er uns heute anbietet, gekommen ist, um das zu einem guten Ende zu bringen, was durchzusetzen wir nicht fertigbrachten. Stimme der Heirat zu. Ich an deiner Stelle, wenn du meine Meinung hören willst, würde zustimmen.«
Arnau schwieg. Das ganze Heer wartete gespannt auf seine Antwort. Joan nutzte den Moment, um Elionor anzusehen. Er glaubte, ein stolzes Lächeln auf ihren Lippen zu erkennen.
»Willst du damit sagen, dass ich an alldem schuld bin?«, fragte Arnau Joan.
»Nein, Arnau, ich bin schuld. Ich hätte dich über die Vorschriften der Kirche und die göttliche Bestimmung in Kenntnis setzen müssen, doch das habe ich nicht getan … Und ich bereue es.«
Guillems Augen sprühten Funken.
»Was will das Mädchen?«, fragte Arnau Felip de Ponts.
»Ich bin ein Ritter König Pedros«, antwortete dieser, »und seine Gesetze – dieselben, die euch heute hierhergeführt haben – messen bei einer Heirat dem Willen der Frau keine Bedeutung bei.« Ein zustimmendes Raunen ging durch die Reihen des Heeres. »Ich, Felip de Ponts, katalanischer Ritter, biete Eurer Ziehtochter die Ehe an. Solltest du, Arnau Estanyol, Baron von Katalonien und Seekonsul von Barcelona, einer Heirat nicht zustimmen, so nehmt mich fest und richtet über mich. Stimmst du jedoch zu, so hat der Willen des Mädchens wenig Bedeutung.«
Erneut murmelte das Heer zustimmend zu den Worten des Ritters. So war das Gesetz, und alle hielten sich daran und verheirateten ihre Töchter unabhängig davon, was diese wollten.
»Es geht nicht darum, was sie will, Arnau«, flüsterte Joan ihm zu. »Es ist deine Pflicht. Finde dich damit ab. Niemand fragt seine Töchter nach ihrer Meinung. Es wird entschieden, was für sie am besten ist. Dieser Mann hat Mar entjungfert, da geht es nicht mehr darum, was das Mädchen will. Entweder sie heiratet ihn oder ihr Leben wird die Hölle sein. Die Entscheidung liegt bei dir, Arnau: ein weiterer Toter oder die göttliche Lösung für unsere Versäumnisse.«
Arnau sah zu seinen Freunden und Verwandten. Guillem starrte voller Wut zu dem Ritter herüber. Elionor, mit der er auf Befehl des Königs verheiratet war, hielt seinem Blick stand. Arnau sah sie fragend an. Elionor nickte. Zuletzt wandte er sich Joan zu.
»Es ist das Gesetz«, sagte dieser.
Arnau sah den Ritter an, dann die Soldaten. Diese hatten die Waffen gesenkt. Keiner dieser dreitausend Männer schien die Argumente Felip de Ponts infrage zu stellen, keiner dachte mehr an Krieg. Sie warteten auf Arnaus Entscheidung. So war das katalanische Gesetz. Was erreichte er, wenn er kämpfte, den Ritter tötete und Mar befreite? Was für ein Leben erwartete das Mädchen, nachdem man es entführt und geschändet hatte? Ein Kloster?
»Ich stimme zu.«
Für einen Moment herrschte Stille. Dann ging ein Raunen durch die Reihen der Soldaten, als Arnaus Entscheidung die Runde machte. Manche begrüßten laut seinen
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