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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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Vielleicht hatte sein Bruder recht. Vielleicht hatte er geahnt, was nicht einmal Arnau selbst wusste. Vor der Jungfrau hatte er geschworen, nie wieder aus Liebe zu einer anderen seiner Ehefrau untreu zu sein, selbst wenn er diese Ehe nicht freiwillig eingegangen war.
    »Vater«, sagte Mar, während sie mit der freien Hand seine Tränen abwischte.
    Arnau zitterte, als er Mars Berührung spürte. Er drehte sich auf dem Absatz um und floh.
    Zur gleichen Zeit blickte irgendwo auf dem einsamen, dunklen Weg nach Barcelona ein Sklave in den Himmel und hatte den Schmerzensschrei des Mädchens in den Ohren, das er wie eine eigene Tochter großgezogen hatte. Er war als Sklave geboren und hatte als Sklave gelebt. Er hatte gelernt, stumm zu lieben und seine Gefühle zu unterdrücken. Ein Sklave war kein Mann, und so hatte er in seiner Einsamkeit – dem einzigen Ort, an dem niemand seine Freiheit einschränken konnte – gelernt, viel tiefer zu sehen als all jene, denen das Leben den Geist vernebelte. Er hatte gesehen, welche Liebe die beiden füreinander empfanden, und er hatte zu seinen beiden Göttern gebetet, dass es diesen Menschen, die er so sehr liebte, gelingen möge, sich von ihren Fesseln zu befreien, die viel stärker waren als die eines einfachen Sklaven.
    Guillem schluckte seine Tränen hinunter, denn Weinen war einem Sklaven verboten.
    Guillem betrat Barcelona nicht. Er erreichte die Stadt noch in der Nacht und stand vor dem verschlossenen Stadttor San Daniel. Sie hatten ihm sein kleines Mädchen weggenommen. Vielleicht war er sich dessen nicht bewusst gewesen, doch Arnau hatte sie verschachert wie eine Sklavin. Was sollte er noch in Barcelona? Wie sollte er sich dorthin setzen, wo Mar gesessen hatte? Wie sollte er dort entlanggehen, wo er plaudernd und lachend mit ihr spazieren gegangen war und die Geheimnisse seines kleinen Mädchens geteilt hatte? Was blieb ihm in Barcelona anderes, als Tag und Nacht an sie zu denken? Welche Zukunft erwartete ihn im Haus eines Mannes, der ihrer beider Hoffnungen durchkreuzt hatte?
    Guillem folgte weiter der Straße in Richtung Küste und erreichte nach zwei Tagen Salou, den zweitwichtigsten Hafen Kataloniens. Dort blickte er übers Meer zum Horizont, und die Meeresbrise trug Erinnerungen an seine Kindheit in Genua zu ihm, Erinnerungen an eine Mutter und mehrere Geschwister, von denen er grausam getrennt wurde, als man ihn an einen Händler verkaufte, bei dem er dann das Geschäft zu erlernen begann. Auf einer Schiffsreise gerieten Herr und Sklave in Gefangenschaft der Katalanen, die im ständigen Krieg mit Genua lagen. Guillem ging von Hand zu Hand, bis Hasdai Crescas schließlich erkannte, dass seine Fähigkeiten weit über die eines einfachen Arbeiters hinausgingen. Guillem sah erneut aufs Meer hinaus, zu den Schiffen und den Reisenden … Warum nicht Genua?
    »Wann läuft das nächste Schiff in die Lombardei aus, nach Pisa?«
    Der junge Mann blätterte nervös in den Unterlagen, die sich auf dem Schreibtisch des Ladens stapelten. Er kannte Guillem nicht und hatte ihn zunächst mit Herablassung behandelt, wie er es bei jedem schmutzigen, stinkenden Sklaven getan hätte, doch als der Maure sich vorstellte, fielen ihm die Worte ein, die er so häufig von seinem Vater gehört hatte: »Guillem ist die rechte Hand von Arnau Estanyol, des Seekonsuls von Barcelona, von dem wir alle leben.«
    »Ich brauche Schreibzeug und einen ruhigen Ort, um einen Brief zu verfassen«, sagte Guillem.
    »Ich nehme dein Angebot, mich freizulassen, an«, schrieb er. »Ich werde über Pisa nach Genua reisen, in deinem Namen und als dein Sklave, und dort auf die Freilassungsurkunde warten.« Was gab es noch zu sagen? Dass er ohne Mar nicht leben konnte? Würde Arnau, sein Herr und Freund, das können? Wozu ihn daran erinnern? »Ich mache mich auf die Suche nach meinen Wurzeln, nach meiner Familie«, schrieb er weiter. »Neben Hasdai bist du mein bester Freund gewesen. Gib auf ihn acht. Ich werde dir ewig dankbar sein. Allah und die Jungfrau Maria mögen dich beschützen. Ich werde für dich beten.«
    Sobald die Galeere, auf der sich Guillem eingeschifft hatte, den Hafen von Salou verließ, machte sich der junge Mann, der den Mauren bedient hatte, auf den Weg nach Barcelona.
    Arnau schrieb langsam Guillems Freilassungsbrief, während er jeden Buchstaben des Schriftstücks betrachtete. Die Pest, der Krieg, die Wechselstube, Tage voller Arbeit, angeregter Gespräche, Freundschaft und Freude … Seine

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