Die Kathedrale des Meeres
Gelegenheit, seine Ehre zu retten. »Welche Beweise? Die Aussage eines Besessenen wie Euch, Herr Baron?« Jaume de Bellera wollte etwas entgegnen, doch Nicolau brachte ihn mit einer brüsken Handbewegung zum Schweigen. »Ich habe nach diesen Dokumenten gesucht, die der Bischof angeblich nach Eurer Geburt ausstellte.« Die beiden maßen sich mit Blicken. »Ich habe keine gefunden, wisst Ihr das?«
Genis Puig ließ die Hand mit dem Schwert sinken.
»Sie müssen sich in den Archiven des Bischofs befinden«, verteidigte sich Jaume de Bellera.
Nicolau schüttelte nur den Kopf.
»Und Ihr, Herr Edelmann?«, brüllte Nicolau, nun an Genis gewandt. »Was habt Ihr gegen Arnau Estanyol?« Der Inquisitor sah Genis die Angst dessen an, der etwas zu verbergen hatte. Das war seine Arbeit. »Wisst Ihr, dass es ein Vergehen ist, die Inquisition zu belügen?« Genis sah Hilfe suchend zu Jaume de Bellera, doch der starrte auf irgendeinen Punkt im Arbeitszimmer des Inquisitors. Er war auf sich allein gestellt. »Was habt Ihr mir zu sagen?« Genis wand sich und versuchte dem Blick des Inquisitors auszuweichen. »Was hat Euch der Geldwechsler getan?«, ereiferte sich Nicolau. »Hat er Euch vielleicht in den Ruin getrieben?«
Genis reagierte. Es war nur eine Sekunde, in der er den Inquisitor ansah. Das war es. Was konnte ein Geldwechsler einem Edelmann anderes antun, als ihn zu ruinieren?
»Mich nicht«, antwortete Genis.
»Euch nicht? Euren Vater vielleicht?«
Genis sah zu Boden.
»Ihr habt versucht, Euch mittels einer Lüge der Inquisition zu bedienen! Ihr habt falsches Zeugnis abgelegt, um persönliche Rache zu üben!«
Die empörte Stimme des Inquisitors brachte Jaume de Bellera wieder zur Besinnung.
»Er hat seinen Vater verbrannt«, sagte Genis fast unhörbar.
Nicolau fuchtelte in der Luft herum. Was sollte er nun tun? Sie zu verhaften und ihnen den Prozess zu machen, würde nur eine Angelegenheit wieder aufleben lassen, die man besser so rasch wie möglich begrub.
»Ihr geht jetzt zum Schreiber und zieht Eure Aussagen zurück, andernfalls … Habt ihr verstanden?«, brüllte er. Die beiden nickten fügsam. »Die Inquisition kann niemanden aufgrund von Falschaussagen verurteilen. Und nun geht«, schloss er mit einer Geste zu dem Wachsoldaten.
»Du hast bei deiner Ehre Rache geschworen«, rief Genis Puig Jaume de Bellera in Erinnerung, als sie sich zur Tür wandten.
Nicolau hörte genau, was der Mann sagte. Und er hörte auch die Antwort.
»Kein Herr von Navarcles hat je seinen Schwur gebrochen«, beteuerte Jaume de Bellera.
Der Inquisitor kniff die Augen zusammen. Ihm reichte es. Er hatte einen Angeklagten freigelassen. Er hatte soeben zwei Zeugen angewiesen, ihre Aussagen zurückzuziehen. Er schacherte mit einem … mit einem Händler aus Pisa? Er wusste nicht einmal, mit wem er es zu tun hatte! Und wenn Jaume de Bellera sein Versprechen wahrmachte, bevor die Inquisition an das Vermögen kam, das Arnau noch besaß? Würde der Ungläubige sich an die Abmachung halten? Über diese Angelegenheit musste ein für alle Mal der Mantel des Schweigens gehüllt werden.
»Nun, diesmal wird der Herr von Navarcles seinen Schwur nicht halten«, brüllte er den beiden Männern hinterher.
Die beiden fuhren herum.
»Was sagt Ihr da?«, empörte sich Jaume de Bellera.
»Das Sanctum Officium kann nicht zulassen, dass zwei …« – er machte eine abschätzige Handbewegung –, »… dass zwei Laien ein gültiges Urteil in Frage stellen. Das ist göttliches Recht. Eine andere Rache gibt es nicht! Habt Ihr verstanden, Bellera?« Der Adlige zögerte. »Wenn Ihr Euren Schwur einlöst, werde ich Euch vor Gericht bringen, weil Ihr vom Teufel besessen seid. Habt Ihr mich jetzt verstanden?«
»Aber ein Schwur …«
»Im Namen der Heiligen Inquisition entbinde ich Euch von Eurem Schwur.« Jaume de Bellera nickte. »Und Ihr«, setzte er, an Genis Puig gewandt, hinzu, »hütet Euch davor, Rache für etwas zu üben, worüber die Inquisition bereits gerichtet hat. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
Genis Puig nickte.
Die Felucke, ein kleines Schiff von zehn Metern Länge mit Lateinersegel, ankerte in einer abgelegenen, nur von See zugänglichen Bucht an der Küste von Garraf, gut versteckt vor vorbeifahrenden Schiffen.
Eine windschiefe Hütte, die Fischer aus dem Strandgut errichtet hatten, das vom Mittelmeer in die Bucht gespült worden war, unterbrach die Monotonie der grauen Felsen und Kiesel, die in der gleißenden,
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