Die Kathedrale des Meeres
einen Moment.
»Welchen Vorschlag haben die Freunde Arnau Estanyols der Inquisition zu machen?«, fragte er schließlich.
»In diesen Büchern«, sagte Guillem mit einer Kopfbewegung zu dem kleinen Juden, der unverwandt auf Nicolaus Schreibtisch starrte, »sind zahlreiche Posten zugunsten eines Gläubigers von Arnau Estanyol verzeichnet. Ein Vermögen.«
Zum ersten Mal wandte sich der Inquisitor an den Juden.
»Stimmt das?«
»Ja«, bestätigte der Jude. »Seit Geschäftsbeginn gibt es Buchungen zugunsten eines gewissen Abraham Levi …«
»Noch ein Ungläubiger!«, warf Nicolau ein.
Die drei schwiegen.
»Fahr fort«, befahl der Inquisitor dann.
»Diese Posten haben sich im Laufe der Jahre vervielfacht. Zum heutigen Zeitpunkt müssten es über fünfzehntausend Libras sein.«
In den kleinen Äuglein des Inquisitors erschien ein Funkeln, das weder Guillem noch dem Juden entging.
»Und?«, fragte Nicolau Eimeric, an Guillem gewandt.
»Arnau Estanyols Freunde könnten dafür sorgen, dass der Jude auf sein Geld verzichtet.«
Nicolau lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Euer Freund ist frei«, sagte er. »Und Geld verschenkt man nicht. Weshalb sollte jemand, bei aller Freundschaft, auf fünfzehntausend Libras verzichten?«
»Arnau Estanyol wurde lediglich vorläufig vom Bürgerheer befreit.«
Guillem betonte das ›vorläufig‹. Arnau konnte jederzeit wieder von der Inquisition belangt werden. Der Augenblick war gekommen. In den Stunden des Wartens hatte er immer wieder darüber nachgedacht, während er die Schwerter der Inquisitionsbeamten betrachtete. Er durfte Nicolaus Intelligenz nicht unterschätzen. Die Inquisition hatte keine Handhabe gegen einen Mauren – es sei denn, Nicolau konnte beweisen, dass er die Inquisition direkt angegriffen hatte. Er durfte einem Inquisitor auf keinen Fall einen Handel anbieten. Der Vorschlag musste von Eimeric ausgehen. Ein Ungläubiger durfte nicht versuchen, das Sanctum Officium zu bestechen.
Nicolaus Blick ermunterte Guillem fortzufahren. Du kriegst mich nicht, dachte er.
»Vielleicht habt Ihr recht«, sagte er. »In der Tat gibt es keinen logischen Grund, eine solche Geldsumme zu bieten, nachdem Arnau befreit wurde.« Die Augen des Inquisitors verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Ich verstehe nicht, weshalb man mich hierhergeschickt hat; mir wurde gesagt, Ihr würdet verstehen, doch ich teile Eure triftige Ansicht. Ich bedaure, Eure Zeit verschwendet zu haben.«
Guillem wartete, dass Nicolau eine Entscheidung traf. Als der Inquisitor sich aufrichtete und ihn ansah, wusste Guillem, dass er gewonnen hatte.
»Geht«, befahl er dem Juden. Als der Mann die Tür hinter sich geschlossen hatte, sprach Nicolau weiter, bot ihm jedoch immer noch keinen Stuhl an. »Euer Freund ist frei, das stimmt, doch der Prozess gegen ihn ist noch nicht abgeschlossen. Ich habe sein Geständnis. Auch in Freiheit könnte ich ihn wegen mehrfacher Ketzerei verurteilen. Die Inquisition darf keine Todesurteile vollstrecken. Das ist Sache des weltlichen Arms, des Königs. Eure Freunde müssen wissen, dass der Wille des Königs unbeständig ist. Vielleicht, eines Tages …«
»Ich bin überzeugt, dass sowohl Ihr als auch der König tun werdet, was Ihr tun müsst«, antwortete Guillem.
»Für den König gibt es keinen Zweifel daran, was er zu tun hat: die Ungläubigen bekämpfen und das Christentum in alle Winkel des Reiches tragen. Doch die Kirche … Oft ist es schwierig zu entscheiden, was für ein Volk am besten ist. Euer Freund Arnau Estanyol hat seine Schuld eingestanden und dieses Geständnis darf nicht ungestraft bleiben.« Nicolau hielt inne und sah Guillem forschend an. »Andererseits«, fuhr er angesichts des Schweigens seines Gesprächspartners fort, »sollten die Kirche und die Inquisition großzügig sein, wenn sie mit dieser Haltung andere Bedürfnisse erfüllen können, die letzten Endes zum Wohle aller sind. Würden deine Freunde, die dich hergeschickt haben, eine mildere Strafe akzeptieren?«
›Ich werde nicht mit dir verhandeln, Eimeric‹, dachte Guillem. ›Nur Allah – gelobt und gepriesen sei sein Name! – weiß, was du gewinnst, wenn du mich verhaftest. Nur ER weiß, ob uns hinter diesen Wänden Ohren belauschen. Der Vorschlag muss von dir kommen.‹
»Niemand wird jemals die Entscheidungen der Inquisition in Zweifel ziehen«, entgegnete er.
Nicolau rutschte auf seinem Stuhl hin und her.
»Du hast eine Privataudienz bei mir gefordert mit der
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