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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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mochte er nur stecken? Arnau kroch zu der Stelle, an der das Gerüst an das Fundament der Kirche stieß. Er tastete mit der Hand im Dunkeln. Dort war eine Öffnung, ein schmaler Gang, der sich in der Mauer öffnete.
    Von Arnau vorwärtsgestoßen, war Joan unter das Gerüst gekrochen. Nichts hatte sich ihm in den Weg gestellt, und der Junge war weitergekrochen, durch die Öffnung und in den Gang, der leicht abschüssig in Richtung Hauptaltar führte. Durch das Geräusch, mit dem sein Körper an den Wänden des Gangs entlangschleifte, konnte er nichts hören, aber Arnau musste direkt hinter ihm sein. Erst als sich der enge Tunnel weitete und er sich umdrehen, ja sogar hinknien konnte, hatte Joan bemerkt, dass er alleine war. Wo befand er sich? Es war stockfinster.
    »Arnau?«, rief er.
    Seine Stimme hallte in seinem Kopf wider. Es war … es war wie in einer Höhle. Eine Höhle unter der Kirche!
    Er rief erneut, immer wieder. Zuerst leise, dann immer lauter, doch seine eigene Stimme erschreckte ihn. Er konnte versuchen zurückzukriechen. Doch wo war der Tunnel? Joan streckte die Arme aus, aber seine Hände griffen ins Leere. Er war zu weit gekrochen.
    »Arnau!«, rief er erneut.
    Nichts. Er begann zu weinen. Was befand sich wohl an diesem Ort? Ungeheuer? Und wenn er in der Hölle war? Er befand sich unter einer Kirche – hieß es nicht, die Hölle sei dort unten? Und wenn nun der Teufel erschien?
    Arnau kroch in den Gang. Joan konnte nur dort sein. Niemals hätte er sein Versteck unter dem Gerüst verlassen. Nachdem er ein Stück zurückgelegt hatte, rief er nach seinem Freund. Draußen konnte man ihn unmöglich hören. Nichts. Er kroch weiter.
    »Joanet!« rief er, dann verbesserte er sich: »Joan!«
    »Hier«, hörte er ihn antworten.
    »Wo ist hier?«
    »Am Ende des Tunnels.«
    »Alles in Ordnung?«
    Joan hörte auf zu zittern.
    »Ja.«
    »Dann komm her.«
    »Ich kann nicht.« Arnau seufzte. »Hier ist so eine Art Höhle, und ich weiß nicht mehr, wo der Ausgang ist.«
    »Taste dich an den Wänden entlang, bis du … oder nein!«, korrigierte sich Arnau sofort. »Tu das nicht, hörst du, Joan? Es könnte noch weitere Gänge geben. Wenn ich es bis dorthin schaffe … Sieht man etwas, Joan?«
    »Nein«, antwortete der Kleine.
    Er konnte sich weitertasten, bis er ihn fand – aber wenn er sich ebenfalls verirrte? Ah! Jetzt wusste er, wie er es schaffen könnte. Er brauchte Licht. Mit einer Laterne würden sie zurückfinden.
    »Warte dort auf mich! Hörst du, Joan? Bleib ganz ruhig und rühr dich nicht von der Stelle! Hörst du?«
    »Ja. Was hast du vor?«
    »Ich hole eine Laterne und komme dann zurück. Warte hier auf mich und rühr dich nicht vom Fleck, verstanden?«
    »Ja«, antwortete Joan zögerlich.
    »Denk daran, direkt über dir ist die Jungfrau, deine Mutter.« Arnau hörte keine Antwort. »Joan, hast du mich gehört?«
    Natürlich hatte er ihn gehört. »Deine Mutter«, hatte er gesagt. Aber er hatte ihn nicht mit ihr reden lassen. Und wenn Arnau seine Mutter nicht teilen wollte und ihn hier in der Hölle eingesperrt hatte?
    »Joan?«, vergewisserte sich Arnau.
    »Was?«
    »Warte auf mich, und rühr dich nicht vom Fleck!«
    Mühsam robbte Arnau rückwärts, bis er sich wieder unter dem Gerüst an der Calle del Born befand. Ohne lange zu überlegen, nahm er die Laterne, die der Wächter dort aufgehängt hatte, und verschwand wieder in dem Tunnel.
    Joan sah das Licht näher kommen. Arnau drehte die Flamme höher, als die Seitenwände zurückwichen. Sein Freund kniete einige Schritte vom Ausgang entfernt und sah ihn ängstlich an.
    »Hab keine Angst«, versuchte ihn Arnau zu beruhigen.
    Arnau hielt die Laterne hoch und drehte die Flamme noch höher. Was war das …? Ein Friedhof! Sie befanden sich auf einem Friedhof. Eine kleine Höhle, die aus irgendeinem Grund unter Santa María überdauert hatte wie eine Luftblase. Die Decke war so niedrig, dass sie nicht einmal aufrecht stehen konnten. Arnau leuchtete auf mehrere große Amphoren, ähnlich den Krügen, die er in Graus Werkstatt gesehen hatte, nur grober gearbeitet. Einige waren zerbrochen und gaben den Blick auf die Gerippe frei, die sich darin befanden. Andere waren unversehrt: große Amphoren, die aus zwei aufeinanderliegenden, versiegelten Hälften bestanden.
    Joan starrte zitternd auf eines der Skelette.
    »Ganz ruhig«, sagte Arnau und wollte zu ihm gehen. Doch Joan wich hastig zurück.
    »Was ist …?«, fragte Arnau.
    »Lass uns von hier

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