Die Kathedrale des Meeres
verschwinden«, bat Joan.
Ohne eine Antwort abzuwarten, kroch er in den Tunnel, und Arnau folgte ihm. Als sie das Gerüst erreichten, erlosch die Laterne. Es war niemand zu sehen. Arnau hängte die Laterne wieder an ihren Platz und sie kehrten zu Peres Haus zurück.
»Kein Wort darüber, einverstanden?«, sagte er unterwegs zu Joan.
Joan gab keine Antwort.
14
Seit Arnau beteuert hatte, dass die Jungfrau nun auch seine Mutter sei, lief Joan in jeder freien Minute zur Kirche. Er umklammerte das Gitter vor der Sakramentskapelle, schob den Kopf zwischen die Stäbe und betrachtete die steinerne Figur mit dem Kind auf der Schulter und dem Schiff zu ihren Füßen.
»Irgendwann wirst du mit dem Kopf stecken bleiben«, sagte Pater Albert einmal zu ihm.
Joan zog den Kopf hervor und lächelte. Der Priester legte ihm die Hand auf die Schulter und beugte sich zu ihm hinunter.
»Liebst du sie?«, fragte er ihn und deutete ins Innere der Kapelle.
Joan zögerte.
»Sie ist jetzt meine Mutter«, antwortete er, mehr aus dem Wunsch als aus der Gewissheit heraus.
Pater Albert hatte einen Kloß im Hals. Es gab so vieles, was er dem Jungen über die heilige Jungfrau erzählen konnte! Er versuchte, etwas zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Er umarmte den Kleinen und wartete, dass seine Stimme zurückkehrte.
»Betest du zu ihr?«, fragte er, als er sich wieder gefasst hatte.
»Nein. Ich spreche nur mit ihr.« Pater Albert sah ihn fragend an. »Ich erzähle ihr von mir.«
Der Priester betrachtete die Madonna.
»Nur weiter so, mein Sohn, nur weiter so«, setzte er hinzu, dann ließ er ihn allein.
Es war nicht schwer. Pater Albert fasste drei oder vier Kandidaten ins Auge und entschied sich schließlich für einen reichen Silberschmied. Bei der letzten Jahresbeichte war der Handwerker sehr zerknirscht gewesen wegen mehrerer ehebrecherischer Beziehungen, die er unterhalten hatte.
»Wenn du seine Mutter bist«, murmelte Pater Albert und richtete den Blick gen Himmel, »wird es dich nicht stören, dass ich diese kleine List für deinen Sohn anwende, nicht wahr?«
Der Silberschmied wagte es nicht, nein zu sagen.
»Es handelt sich lediglich um eine kleine Spende an die Domschule«, erklärte ihm der Pfarrer. »Du hilfst damit einem Jungen, und Gott … nun, Gott wird es dir vergelten.«
Er musste nur noch mit Bernat reden. Pater Albert machte sich auf die Suche nach ihm.
»Ich habe erreicht, dass man Joanet an der Domschule aufnimmt«, erklärte er ihm, während sie unweit von Peres Haus am Strand entlangspazierten.
Bernat sah den Priester an.
»Ich habe nicht genug Geld, Pater«, sagte er entschuldigend.
»Es wird dich nichts kosten.«
»Ich dachte, die Schulen …«
»Ja, aber das gilt für die städtischen Schulen. In der Domschule genügt es …« Wozu es ihm erklären? »Nun, ich habe es jedenfalls erreicht.«
Die beiden spazierten weiter.
»Er wird Lesen und Schreiben lernen, zuerst in Fibeln, später auch Psalmen und Gebete.«
Weshalb sagte Bernat nichts?
»Mit dreizehn Jahren kann er in die Oberschule übertreten und Latein und die sieben freien Künste erlernen: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie.«
»Pater«, wandte Bernat ein, »Joanet hilft im Haushalt, sodass Pere mir einen Esser weniger berechnet. Wenn der Junge nun zur Schule geht …«
»Er wird in der Schule beköstigt werden.«
Bernat sah ihn an und wiegte den Kopf, als dächte er darüber nach.
»Außerdem«, fügte der Priester hinzu, »habe ich bereits mit Pere gesprochen, und er ist damit einverstanden, dir auch in Zukunft denselben Preis zu berechnen.«
»Ihr habt Euch sehr für den Jungen eingesetzt.«
»Ja. Hast du etwas dagegen?« Bernat verneinte lächelnd. »Stell dir vor, Joanet könnte schließlich sogar zur Universität gehen, zur Hochschule in Lérida oder sogar an eine ausländische Universität, nach Bologna, Paris …«
Bernat lachte herzlich. »Wenn ich nein sagte, wäret Ihr enttäuscht, oder irre ich mich?«
Pater Albert nickte.
»Er ist nicht mein Sohn, Pater«, fuhr Bernat fort. »Wenn er es wäre, würde ich nicht zulassen, dass der eine Sohn für den anderen arbeitet. Aber wenn es mich nichts kostet, warum nicht? Der Junge hat es verdient. Vielleicht kommt er eines Tages an all die Orte, von denen Ihr erzählt habt.«
»Ich hätte lieber mit Pferden zu tun, so wie du«, sagte Joanet zu Arnau, während sie am Strand entlangspazierten, genau dort, wo Pater Albert und
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