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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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In Richtung Meer würde er bis Santa María kommen, in Richtung Berge bis Sant Pere de les Puelles, doch dort würde er wieder auf die Stadtmauer treffen.
    Arnau entschied sich für das Meer. Er ging um das Kloster San Agustín herum und verlor sich in dem Gewirr der Gassen hinter dem Mercadal-Viertel. Er sprang über Mauern, schlich durch Gärten und hielt sich immer im Dunkeln. Als er sicher war, dass ihm nur das Echo seiner Schritte folgte, ging er langsamer. Dem Wasserlauf des Rec Comtal folgend, erreichte er den Pia d'en Llull beim Kloster Santa Clara und von dort aus ohne weitere Schwierigkeiten die Plaza del Born, seine Kirche, seine Zufluchtsstätte. Doch als er unter das hölzerne Gerüst am Portal kriechen wollte, bemerkte er etwas, das seine Aufmerksamkeit erregte: Auf dem Boden lag eine Laterne, deren schwache Flamme kurz vor dem Verlöschen war. Er spähte ringsum und entdeckte die Gestalt des Aufsehers. Er lag reglos auf dem Boden, als hätte ihn jemand niedergeschlagen.
    Arnaus Herz schlug schneller. Warum? Die Aufgabe dieses Mannes war es, Santa María zu bewachen. Wer konnte ein Interesse daran haben …? Die Jungfrau! Die Sakramentskapelle! Die Kasse der Bastaixos!
    Arnau überlegte nicht lange. Sie hatten seinen Vater hingerichtet. Er konnte nicht zulassen, dass man nun auch noch seine Mutter entweihte. Vorsichtig betrat er durch das offene Portal die Kirche und schlich zum Chorumgang. Links von ihm, zwischen zwei Strebepfeilern, lag die Sakramentskapelle. Auf Zehenspitzen schlich er durch die Kirche und versteckte sich hinter einem Pfeiler am Hauptaltar. Von dort hörte er Geräusche aus der Kapelle, konnte jedoch noch nichts sehen. Er schlich zum nächsten Pfeiler, und nun konnte er zwischen zwei Pfeilern hindurch die Kapelle sehen, wie stets von zahllosen Kerzen erhellt.
    Im Inneren der Kapelle war ein Mann gerade dabei, an dem schmiedeeisernen Gitter hochzuklettern. Arnau sah zur Madonna hin. Alles schien in Ordnung zu sein. Und nun? Er ließ den Blick durch die Kapelle schweifen. Die Kasse der Bastaixos war aufgebrochen. Während der Dieb an dem Gitter hochkletterte, glaubte Arnau das Klimpern der Münzen zu hören, die die Bastaixos zur Versorgung ihrer Waisen und Witwen in diese Kasse einzahlten.
    »Du Dieb!«, rief er und warf sich gegen das Gitter.
    Mit einem Satz hatte Arnau das Gitter erklommen und stieß den Mann vor die Brust. Der überraschte Dieb polterte lärmend zu Boden. Arnau blieb keine Zeit zum Nachdenken. Der Mann rappelte sich rasch auf und verpasste dem Jungen einen gewaltigen Fausthieb ins Gesicht. Arnau fiel rückwärts auf den Kirchenboden.

17
    »Er muss gestürzt sein, als er nach dem Raub der Kasse der Bastaixos zu flüchten versuchte«, urteilte einer der königlichen Soldaten, der neben dem immer noch bewusstlosen Arnau stand.
    Pater Albert schüttelte den Kopf. Wie konnte Arnau eine solch schreckliche Tat begangen haben? Die Kasse der Bastaixos, in der Sakramentskapelle, vor den Augen seiner Jungfrau! Die Soldaten hatten ihn einige Stunden vor Morgengrauen hergerufen.
    »Das kann nicht sein«, murmelte er vor sich hin.
    »Doch, Pater«, beteuerte der Beamte. »Der Junge trug diese Börse bei sich.« Er zeigte die Börse mit Graus Geld für die Gefangenen vor. »Was macht ein Junge mit so viel Geld?«
    »Und sein Gesicht«, wandte ein anderer Soldat ein. »Wozu sollte sich jemand das Gesicht mit Lehm beschmieren, außer um auf Raubzug zu gehen?«
    Pater Albert schüttelte erneut den Kopf, den Blick auf die Börse gerichtet, die der Soldat hochhielt. Was hatte Arnau zu dieser Nachtstunde dort verloren? Woher hatte er diese Börse?
    »Was habt ihr jetzt vor?«, fragte er die Soldaten, als er sah, dass sie Arnau zum Aufstehen nötigten.
    »Wir bringen ihn ins Gefängnis.«
    »Auf gar keinen Fall«, hörte er sich selbst sagen.
    Vielleicht gab es für das alles eine Erklärung. Es konnte nicht sein, dass Arnau versucht hatte, die Kasse der Bastaixos zu stehlen. Nicht Arnau.
    »Er ist ein Dieb, Pater.«
    »Das wird ein Gericht zu entscheiden haben.«
    »So ist es«, bestätigte der Soldat, während seine Männer Arnau unter den Achseln packten, »aber er wird den Prozess im Gefängnis abwarten.«
    »Wenn er in ein Gefängnis kommt, dann in das des Bischofs«, sagte der Priester. »Das Verbrechen wurde an einem geheiligten Ort begangen. Folglich fällt es unter die Zuständigkeit der Kirche, nicht des Stadtrichters.«
    Der Soldat sah seine Männer an und dann Arnau. Dann

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