Die Kathedrale des Meeres
vermerkt das im Buch, damit der Junge keine Schwierigkeiten bekommt.«
Arnau spürte, wie der Priester seine Schulter drückte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, und so zeigte er den Bastaixos seine Dankbarkeit durch ein Lächeln. Er war ein Bastaix! Wenn sein Vater ihn jetzt sehen könnte!
18
»Wer war das? Kennst du ihn, Junge?«
Noch immer hallten eilige Schritte und die Rufe der Soldaten, die Arnau verfolgten, über den Platz, doch Joan hörte sie nicht. Das Prasseln, mit dem Bernats Leichnam verbrannt war, hallte in seinen Ohren wider.
Der Wachsoldat, der neben dem Gerüst stehen geblieben war, schüttelte Joan und wiederholte seine Frage: »Kennst du ihn?«
Doch Joan konnte den Blick nicht von der lodernden Fackel wenden, in die sich der Mann verwandelt hatte, der ihn an Kindes statt angenommen hatte.
Der Soldat schüttelte ihn erneut, bis der Junge ihn schließlich ansah. Sein Blick war wirr und er klapperte mit den Zähnen.
»Wer war das? Weshalb hat er deinen Vater verbrannt?«
Joan hörte die Frage nicht einmal. Er begann zu zittern.
»Er kann nicht sprechen«, mischte sich die Frau ein, die Arnau gedrängt hatte zu fliehen. Sie war es auch gewesen, die Joan, der wie erstarrt gewesen war, von den Flammen weggezerrt hatte. Sie hatte in Arnau den Jungen wiedererkannt, der den ganzen Tag neben dem Erhängten gewacht hatte. »Wenn ich den Mut gehabt hätte, das Gleiche zu tun«, dachte sie, »würde der Körper meines Mannes nicht vor der Stadtmauer verfaulen, den Vögeln zum Fräße.« Ja, dieser Junge hatte etwas getan, was jeder von denen, die hier waren, gerne getan hätte, und der Soldat … Er war für die Nachtwache zuständig, konnte also Arnau nicht erkannt haben. Für ihn war der Sohn der andere, der dort vor dem Leichnam seines Vaters hockte. Die Frau nahm Joan in die Arme und wiegte ihn hin und her.
»Ich muss wissen, wer ihn angezündet hat«, erklärte der Soldat.
Die Frau mischte sich mit Joan unter die Leute, die den toten Bernat anstarrten.
»Was tut das zur Sache?«, murmelte sie, während Joan von Krämpfen geschüttelt wurde. »Dieser Junge ist halb tot vor Hunger und Angst.«
Der Soldat sah nach oben. Dann nickte er langsam. Er hatte selbst einen Sohn verloren. Der Kleine war immer magerer geworden, bis ihn schließlich ein harmloses Fieber dahingerafft hatte. Seine Frau hatte ihn genauso in die Arme geschlossen, wie es diese Frau mit dem Jungen tat. Er sah die beiden an. Die Frau weinte, während sich der Junge schutzsuchend an ihre Brust schmiegte.
»Bring ihn nach Hause«, sagte er zu der Frau. Dann blickte er wieder zu Bernats brennendem Leichnam auf. »Verfluchte Genuesen!«
Es war Tag geworden in Barcelona.
»Joan!«, rief Arnau, kaum dass er die Tür geöffnet hatte.
Pere und Mariona, die im Erdgeschoss am Herd saßen, bedeuteten ihm, still zu sein.
»Er schläft«, sagte Mariona.
Die fremde Frau hatte Joan nach Hause gebracht und ihnen erzählt, was passiert war. Die beiden alten Leute kümmerten sich um Joan, bis er schließlich einschlief. Dann setzten sie sich an den wärmenden Herd.
»Was soll aus ihnen werden?«, fragte Mariona ihren Mann. »Ohne Bernat wird es der Junge nicht in den Ställen aushalten.«
»Und wir können sie nicht versorgen«, dachte Pere. Sie konnten es sich nicht leisten, den beiden Jungen das Zimmer unentgeltlich zu überlassen oder sie mit durchzufüttern. Pere wunderte sich über das Strahlen in Arnaus Augen. Sein Vater war gerade hingerichtet worden! Er hatte ihn sogar angezündet; die Frau hatte es ihm erzählt. Woher kam dieses Strahlen?
»Ich bin ein Bastaix!«, verkündete Arnau und machte sich über den Topf mit den kalten Resten des gestrigen Abendessens her.
Die beiden alten Leute wechselten einen Blick und sahen dann zu dem Jungen, der mit dem Rücken zu ihnen direkt aus dem Schöpflöffel aß. Er war völlig abgemagert! Der Getreidemangel hatte seine Spuren bei ihm hinterlassen, wie überall in Barcelona. Wie sollte dieser magere Junge Lasten schleppen?
Mariona schüttelte den Kopf und sah ihren Mann an.
»Man wird sehen«, sagte Pere.
»Was sagt Ihr?«, fragte Arnau, während er sich mit vollem Mund umdrehte.
»Nichts, mein Sohn, nichts.«
»Ich muss los«, sagte Arnau. Er nahm ein Stück hartes Brot und biss herzhaft hinein. Der Drang, Joan zu fragen, was auf dem Platz geschehen war, rang mit einem anderen drängenden Wunsch: sich seinen neuen Arbeitskollegen anzuschließen. Er traf eine Entscheidung.
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