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Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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öffnete er die vergitterte Tür und klemmte sie fest. Vorsichtig schlich er in einem weiten Bogen hinter den Vogel. Dann fuchtelte er wild mit der Heugabel, und der Falke schoß durch die Tür ins Freie.
Erleichtert blies Qwilleran in seinen Schnurrbart. Willkommen auf dem Lande, sagte er zu sich.
Obwohl die Hütte klein war, wirkte sie drinnen sehr geräumig. Das knorrige Kieferdach bildete zugleich die Decke; sie war an der höchsten Stelle fast sieben Meter hoch und wurde von Balken aus entrindeten Baumstämmen gestützt. Auch die Wände bestanden aus Baumstämmen, die jedoch getüncht waren. Über dem steinernen Kamin hing ein Elchkopf mit einem riesigen Geweih, flankiert von einer Spitzhacke und einer Zugsäge mit fünf Zentimeter langen Zacken, wie sie die Waldarbeiter benutzten.
Qwillerans feine Nase entdeckte einen seltsamen Geruch. Ein totes Tier? Ein defekter Abfluß? Verrottetes Gemüse? Er öffnete die Türen und Fenster und sah sich um. Alles war in bester Ordnung, und durch das Lüften war die Hütte bald vom frischen Duft des Sees und der wilden Kirschblüten erfüllt. Als nächstes kontrollierte er, ob der Fliegendraht an den Fenstern sicher war. Koko und Yum Yum waren Wohnungskatzen, die nie im Freien herumlaufen durften, und er wollte kein Risiko eingehen. Er sah nach, ob es etwa Falltüren, lose Bretter oder andere geheime Ausgänge gab.
Erst dann brachte er die Katzen in die Hütte. Sie bewegten sich vorsichtig, Bauch und Schwanz an den Boden gedrückt, die Schnurrhaare angelegt; ihre Ohren registrierten Geräusche, die für Menschen unhörbar waren. Doch als er schließlich das Gepäck aus dem Auto hereingebracht hatte, sprang Yum Yum schon fröhlich irgendwo über seinem Kopf von einem Balken zum anderen, während Koko majestätisch auf dem Elchkopf saß und sein neues Reich mit Wohlwollen betrachtete. Der Elch – mit seiner langen Schnauze, den geblähten Nüstern und dem Unterbiß – ertrug diese Demütigung mit griesgrämiger Resignation.
Qwilleran war genauso begeistert von der Hütte. Auf der Küchentheke stand das neueste Telefonmodell, es gab einen Mikrowellenherd, ein Bad mit Whirlpool und etliche Regale mit Büchern. Auf dem Kaffeetisch lagen die letzten Nummern angesehener Zeitschriften, und irgendwer hatte eine Kassette mit einem Brahmskonzert in der Stereoanlage gelassen. Es gab keinen Fernseher, doch das war unwichtig; Qwilleran war ein passionierter Anhänger des gedruckten Wortes.
Er machte seinen Gefährten eine Dose Hühnerfleisch auf und fuhr dann nach Mooseville, um selbst zu Abend zu essen. Mooseville war ein Ferienort, der sich am Seeufer entlang erstreckte. Auf einer Seite der Main Street lagen Anlegestellen mit Booten und das Northern Lights Hotel. Auf der anderen Straßenseite gab es diverse Geschäfte, die zum Großteil in Blockhäusern untergebracht waren. Selbst die Kirche war im Blockhausstil gebaut.
Im Hotel aß Qwilleran mittelmäßige Schweinskoteletts, eine matschige gebackene Kartoffel und zu Tode gekochte grüne Bohnen, die ihm von einer freundlichen blonden Serviererin gebracht wurden, die sagte, sie heiße Darlene. Sie erkannte ihn nach seinem Bild im Daily Fluxion und drängte ihm von allem noch einen Nachschlag auf. In der Redaktion hatte er häufig Zweifel geäußert, ob es wirklich klug sei, das Foto des Restaurantkritikers zu veröffentlichen, doch der Fluxion brachte prinzipiell die Porträts der Kolumnisten, und beim Fluxion war Prinzip nun einmal Prinzip.
Qwilleran fiel im Northern Lights Hotel nicht nur durch seinen Schnurrbart auf. In einem Raum voll karierter Hemden, Jeans und Windjacken waren seine Tweedjacke und seine Strickkrawatte vollkommen fehl am Platz. Nachdem er den gallertartigen Heidelbeerkuchen gegessen hatte, ging er sofort ins Kaufhaus und kaufte sich Jeans, Sporthemden, Laufschuhe ... und eine Schirmmütze. Jeder Mann in Mooseville trug eine. Es gab Baseballmützen, Seglermützen, Jagdmützen, Biermützen und Mützen mit Werbeemblemen für Traktoren, Düngemittel und Tierfutter. Qwilleran wählte eine orangefarbene Jagdmütze und hoffte, daß sie sich als wirksame Tarnung erweisen würde.
Im Drugstore gab es sowohl den Daily Fluxion und das Konkurrenzblatt, den Morning Rampage, als auch die lokale Zeitung. Er kaufte einen Fluxion und einen Pickax Picayune und fuhr zurück zur Hütte.
Unterwegs wurde er an einer Straßensperre von der Polizei angehalten, doch ein höflicher Polizist sagte: »Fahren Sie nur weiter, Mr. Qwilleran.

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