Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
Vom Netzwerk:
ein.
Am nächsten Tag war die Reise von weniger Protesten vom Rücksitz her begleitet. Die Temperatur sank noch weiter, und aus den Wildwechsel-Schildern wurden Elchwechsel-Schilder. Die Straße führte allmählich in hügeliges Gelände und danach in ein Tal hinunter und wurde schließlich zur Hauptdurchfahrtsstraße von Pickax City. Die majestätischen alten Häuser, die den Reichtum der Pioniere widerspiegelten, die mit Bergbau und Holz zu Geld gekommen waren, säumten die Main Street, welche mitten durch das Zentrum der Stadt und rund um einen kleinen Park führte. Dem Park gegenüber standen einige eindrucksvolle Gebäude: ein Gerichtsgebäude aus dem neunzehnten Jahrhundert, eine Bücherei mit Säulen wie ein griechischer Tempel, zwei Kirchen und ein prächtiges Wohnhaus mit einer auf Hochglanz polierten Hausnummer aus Messing, das Tante Fanny gehörte.
Es war ein großes, viereckiges Herrenhaus aus Bruchstein; dahinter befand sich ein Kutschenhaus. In der Auffahrt stand ein blauer Kleinlastwagen, und an den Sträuchern arbeitete ein Gärtner. Er starrte Qwilleran ostentativ an; seinen Gesichtsausdruck konnte der Journalist nicht deuten. In der Eingangstür befand sich ein altmodischer, messingumrahmter Briefschlitz, in den der Familienname eingraviert war: Klingenschoen.
Die kleine alte Dame, die auf sein Klingeln öffnete, war zweifellos Tante Fanny: sie wirkte robust für ihre neunundachtzig Jahre – ein winziges Persönchen, das vor Energie sprühte. Ihr puderweißes, runzeliges Gesicht zierten zwei orangefarbene Lippenstiftstriche, und sie trug eine Brille, die ihre Augen vergrößerte. Sie starrte ihren Besucher an, und als sie ihn schließlich durch ihre dicken Brillengläser erkannte, breitete sie in einer dramatischen Willkommensgeste die Arme weit aus. Dann sprach diese kleine Frau mit tiefer, rauher Stimme:
»Du meine Güte! Bist du aber gewachsen!«
»Das will ich doch hoffen«, sagte Qwilleran freundlich. »Als du mich das letzte Mal gesehen hast, war ich sieben Jahre alt. Wie geht es dir, Francesca? Du siehst großartig aus!«
Ihr exotischer Name paßte ganz zu ihrer extravaganten Kleidung: Sie trug eine mit Pfauen bestickte Tunika aus orangefarbenem Satin und darunter eine schmale schwarze Hose. Um den Kopf hatte sie ein Tuch gewunden, ebenfalls orangefarben, das oben so geschlungen war, daß sie größer als ein Meter dreißig wirkte.
»Komm herein, komm herein«, brummte sie freundlich. »Mein Gott, wie ich mich freue, dich zu sehen! ... Ja, du siehst genauso aus wie auf deinem Foto im Fluxion . Wenn dich deine Mutter jetzt sehen könnte, Gott hab' sie selig. Sie wäre hingerissen von deinem Schnurrbart. Willst du gleich eine Tasse Kaffee? Ich weiß, ihr Journalisten trinkt sehr viel Kaffee. Wir nehmen ihn auf der Glasveranda.«
Tante Fanny ging durch eine hohe Eingangshalle mit einem imposanten Treppenaufgang voraus, vorbei an einem eleganten Salon und einem prunkvollen Eßzimmer, einer getäfelten Bibliothek und einem Frühstückszimmer, das regelrecht in Chintz erstickte. Dann trat sie in einen luftigen Raum mit bis zum Boden reichenden Flügelfenstern, Korbmöbeln und uralten Gummibäumen.
Mit ihrer tiefen Stimme sagte sie: »Ich habe ein paar göttliche Zimtbrötchen. Tom hat sie heute morgen aus der Bäckerei geholt. Du warst als kleiner Junge ganz verrückt nach Zimtbrötchen.«
Während es sich Qwilleran auf einem Korbsofa bequem machte, lief seine Gastgeberin in ihren kleinen, schwarzen chinesischen Pantoffeln davon; sie verschwand in einem anderen Teil des Hauses, wobei sie einen Monolog führte, den er nur halb hören konnte. Dann kam sie mit einem großen Tablett zurück.
Qwilleran sprang auf. »Komm, ich nehme dir das ab, Francesca.«
»Danke, mein Lieber«, bellte sie. »Du warst schon immer ein aufmerksamer kleiner Junge. Also, du mußt unbedingt Sahne in deinen Kaffee tun. Tom hat sie heute morgen direkt vom Milchbauern geholt. So eine Sahne bekommt man in der Stadt nicht, mein Junge.«
Qwilleran trank seinen Kaffee lieber schwarz, nahm aber jetzt Sahne, und als er in das weiche Zimtbrötchen biß, wanderte sein Blick zu den großen Fenstern. Der Gärtner stand auf seinen Rechen gestützt da und spähte in den Raum.
»Also, du bleibst zum Mittagessen«, sagte Tante Fanny aus den Tiefen eines riesigen geflochtenen Schaukelstuhls, der ihre winzige Gestalt fast verschluckte. »Tom wird zum Fleischer gehen und ein Steak holen. Magst du lieber Porterhouse oder Delmonico? Wir haben

Weitere Kostenlose Bücher