Die Katze die Brahms spielte
Telefon und Bildschirm, und der Leiter der Feuilletonredaktion nahm an einer Sitzung der Herausgeber, Mitherausgeber, Chefredakteure, deren Assistenten, Abteilungsleiter und Gruppenleiter teil.
Qwilleran freute sich, daß seine Ankündigung Riker etwas aus seiner berufsmäßigen Ruhe gebracht hatte. Zugegeben, die Fragen seines Vorgesetzten hatten seinen Vorsatz etwas ins Schwanken gebracht. Wie würde er nach einem Leben im Großstadtchaos auf drei Monate einfaches Landleben reagieren? Es stimmte schon, daß er im Sommer ein wenig schreiben wollte, doch wie viele Stunden am Tag kann man an einer Schreibmaschine sitzen? Es würde keine Mittagessen im Presseklub geben, keine Telefonanrufe, keine Abende mit Freunden, keine Gourmet-Mahlzeiten, keine wichtigen Baseballspiele, keine Rosemary.
Dennoch, er brauchte Tapetenwechsel. Er war enttäuscht vom Fluxion , und das Angebot, sich den ganzen Sommer in eine Hütte am Ufer eines Sees zurückzuziehen, kam ihm, sparsam wie er war, sehr verlockend vor.
Andererseits hatte Tante Fanny kein Wort über irgendwelchen Komfort oder Annehmlichkeiten gesagt. Qwilleran schätzte ein überlanges Bett, bequeme Lehnstühle, gute Lese- lampen, einen anständigen Kühlschrank, genug heißes Wasser und funktionierende Installationen. Zweifellos würden ihm die Annehmlichkeiten des Maus Haus abgehen, der traumhaften Pension, in der er ein Luxusappartement bewohnte. Ebenso würden ihm das kultivierte Niveau der Mahlzeiten bei Robert Maus fehlen und die Kameradschaft der anderen Bewohner, besonders von Rosemary. Das grüne Telefon auf seinem Schreibtisch läutete, und er meldete sich geistesabwesend.
»Qwill, hast du schon gehört?« Es war Rosemarys samtige Stimme, doch sie hatte einen schrillen, beunruhigten Unterton.
»Was ist passiert?« Im letzten Jahr hatte es im Maus Haus zwei Morde gegeben, doch der Täter saß jetzt hinter Gittern, und die Bewohner hatten sich beruhigt; sie genossen das angenehme Leben und fühlten sich sicher.
»Robert verkauft das Haus«, sagte Rosemary in klagendem Ton, »und wir müssen alle ausziehen.«
»Warum verkauft er? Es lief doch alles so gut.«
»Irgendwer hat ihm ein tolles Angebot für das Anwesen gemacht. Du weißt, er wollte schon immer den Anwaltsberuf an den Nagel hängen und ein feines Restaurant eröffnen. Er sagt, das ist jetzt seine Chance. Es ist ein erstklassiges Grundstück, und die Firma, die es kauft, will ein Hochhaus mit Wohnungen darauf bauen.«
»Das sind wirklich schlechte Neuigkeiten«, meinte Qwilleran. »Robert hat uns alle mit seinem Chateaubriand, seinem Hummer mit Pilzragout und seinen Artischockenherzen auf florentinische Art viel zu sehr verwöhnt. Willst du mich nicht besuchen, wenn du nach Hause kommst? Dann reden wir darüber.«
»Ich bringe etwas zu trinken mit. Kühle du die Gläser vor«, sagte Rosemary. »Wir haben gerade eine Lieferung Granatapfelsaft bekommen.« Sie war Teilhaberin eines Reformkostladens, dessen Namen, Bio Mio , Qwilleran ziemlich dämlich fand.
Nachdenklich legte er den Hörer auf. Diese schlechte Nachricht war ein Wink des Schicksals: Er sollte in den Norden fahren. Am Nachmittag ging er früher aus der Redaktion weg, in einer Hand die kleine Tüte mit dem Truthahnfleisch vom Presseklub, in der anderen ein Maßband vom Blue Dragon, einem Antiquitätengeschäft.
Bei einer Gebrauchtwagenhandlung stieg er aus dem Bus zur River Road aus. Er ging schnurstracks auf eine Reihe kleiner, benzinsparender Autos zu. Systematisch wanderte er von einem Wagen zum anderen, öffnete die Tür und maß den Fußraum hinter dem Fahrersitz ab.
Ein Verkäufer, der ihm dabei zugesehen hatte, schlenderte zu ihm hin. »Interessieren Sie sich für einen Mittelklassewagen?«
»Kommt darauf an«, murmelte Qwilleran, den Kopf auf den Rücksitz gelegt. Lautlos prägte er sich ein: dreißig mal achtunddreißig.
»Suchen Sie ein bestimmtes Modell?«
»Nein.« Offenbar war der Getriebetunnel das Problem. Dreiunddreißig mal achtunddreißig .
»Möchten Sie ein Automatic-Auto oder eines mit Gangschaltung?«
»Ist mir egal«, sagte Qwilleran und machte sich wieder mit dem Maßband zu schaffen. Dreiunddreißig mal vierzig . Nachdem er jahrelang mit Dienstautos aus zeitungseigenen Fuhrparks gefahren war, konnte er jedes Fahrzeug lenken; er war schon lange nicht mehr wählerisch.
Der Verkäufer betrachtete den buschigen Schnauzbart und die traurigen Augen. »Ich kenne Sie«, sagte er schließlich. »Ihr Bild ist ständig im Fluxion . Sie
Weitere Kostenlose Bücher