Die Katze die Brahms spielte
vielleicht nach Kanada zurück«, sagte Rosemary. »Max will in Toronto ein Naturkost-Restaurant aufmachen, und wenn ich meinen Anteil am Bio Mio verkaufen kann, beteilige ich mich vielleicht daran.«
Qwilleran schnaubte in seinen Schnurrbart. Max Sorrel! Dieser Schürzenjäger! Er sagte: »Ich habe gehofft, daß du in den Norden kommst und ein bißchen Zeit mit mir verbringst.«
»Sehr gerne, wenn aus Toronto nichts wird. Wie kommst du denn hin?«
»Ich habe mir heute ein Auto gekauft. Die Katzen und ich fahren nach Pickax City und begrüßen Tante Fanny, und dann geht's weiter zum See. Ich habe sie seit vierzig Jahren nicht gesehen. Nach ihren Briefen zu urteilen, muß sie ein richtiges Original sein. Ihre Briefe sind über Kreuz geschrieben.«
Rosemary sah ihn fragend an.
»Meine Mutter hat das auch gemacht. Sie hat einen Brief normal beschrieben, dann das Blatt quer gedreht und so quer über die bereits bestehenden Zeilen geschrieben.«
»Wozu denn? Um Papier zu sparen?«
»Wer weiß? Vielleicht zum Schutz der Privatsphäre. Es ist nicht leicht zu lesen... Sie ist nicht meine wirkliche Tante«, fuhr er fort. »Fanny und meine Mutter haben im Ersten Weltkrieg bei der Soldatenbetreuung gearbeitet. Dann hat Fanny irgendwie Karriere gemacht – sie hat nie geheiratet. Als sie sich aus dem Berufsleben zurückzog, ging sie zurück nach Pickax City.«
»Ich habe noch nie von dem Ort gehört.«
»Die Gegend war mal für ihren Bergbau berühmt. Ihre Familie hat damit ein Vermögen gemacht.«
»Wirst du mir schreiben, Qwill, Liebling?«
»Ich schreibe dir – oft. Du wirst mir fehlen, Rosemary.«
»Erzähle mir alles über Tante Fanny, wenn du sie gesehen hast.«
»Sie nennt sich jetzt Francesca. Sie mag es nicht, wenn man sie Tante Fanny nennt. Sie sagt, dann kommt sie sich vor wie eine alte Frau.«
»Wie alt ist sie denn?«
»Sie wird im nächsten Monat neunzig.«
Qwilleran belud das grüne Auto für die lange Fahrt in den Norden: zwei Koffer, seine Schreibmaschine, das dreizehn Pfund schwere Wörterbuch, fünfhundert Blatt Schreibpapier und zwei Kartons mit Büchern. Da Koko sich weigerte, handelsübliche Katzennahrung zu fressen, nahm er vierundzwanzig Dosen mit Hühnerfleisch, Lachs, Corned beef, weißem Thunfischfleisch, Cocktail-Shrimps und Krabbenfleisch aus Alaska mit. Auf dem Rücksitz lag das blaue Kissen, auf dem die Katzen so gerne saßen, und auf dem Boden stand eine ovale Bratpfanne, deren Griffe er abgesägt hatte, damit sie zwischen den Getriebetunnel und die Laufschienen des Vordersitzes paßte. Sie enthielt eine etwa drei Zentimeter hohe Schicht Katzenstreu. Das war das Katzenkistchen. Als ihr altes, handbemaltes Emailkistchen endgültig verrostet war, hatte Robert Maus die Bratpfanne aus seiner wohlbestückten Küche gespendet.
Die Möbel in Qwillerans Wohnung gehörten einem früheren Mieter, und seine paar persönlichen Besitztümer – zum Beispiel eine alte Personenwaage und ein gußeisernes Wappen – waren über den Sommer in Arch Rikers Keller eingelagert. So begann der Journalist unbeschwert seine Reise in den Norden.
Seine Passagiere auf dem Rücksitz hingegen reagierten ganz anders. Das kleine Weibchen stimmte ein schrilles Geheul an, wann immer der Wagen abbog, um eine Kurve oder über eine Brücke oder unter einem Viadukt hindurchfuhr, einem Lastwagen begegnete oder eine Geschwindigkeit von fünfzig Meilen in der Stunde überschritt. Koko schimpfte sie aus und biß sie ins Hinterbein und trug mit Knurren und Fauchen zu dem musikalischen Spektakel bei. Qwilleran fuhr bald mit zusammengebissenen Zähnen und ließ die verärgerten und finsteren Blicke der Autofahrer über sich ergehen, die ihn überholten; er ertrug, daß sie ungeduldig hupten oder feindselig dicht auffuhren.
Ihr Weg führte durch eine Reihe von Vororten und dann über kurvenreiche Straßen durch eine Gegend, die für ihre Pferde bekannt war. Danach wurde es kühler, die Nadelbäume waren höher, es gab Schilder, auf denen vor Wildwechsel gewarnt wurde, und es waren mehr Pick-ups unterwegs als vorher. Pickax City war noch immer hundert Meilen entfernt, als Qwillerans gepeinigte Nerven am Ende waren und er beschloß, eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Sie mieteten sich auf einer Art Campingplatz ein, wo in einem bewaldeten Areal weit verstreut wackelige Hütten aus der Zeit vor der Erfindung der Motels standen. Sie waren alle drei vollkommen erschöpft, und Koko und Yum Yum schliefen augenblicklich mitten auf dem Bett
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