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Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Titel: Die Katze, die den Dieb vertrieb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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wartete, mit der Leiterin verbunden zu werden, stellte er sie sich in ihrem gläsernen Büro im Mezzanin vor, wo sie wie eine gebürtige Despotin über die Angestellten, die unbezahlten freiwilligen Helfer und die gehorsamen Mitglieder der Bücherei herrschte, die das Gebäude auf keinen Fall mit Speisen, Getränken, Radios oder nassen Stiefeln betreten durften. »Polly Duncan«, meldete sie sich freundlich.
    »Was für ein Datum haben wir heute?« fragte er; er wußte, sie würde seine Stimme erkennen.
    »Den fünfundzwanzigsten Januar. Ist das irgendein besonderer Tag?«
    »Der Geburtstag von Robert Burns. Heute ist die Nacht der Nächte! Jetzt gibt es kein Zurück mehr!«
    Fröhlich rief sie: »Der schottische Abend! Du wirst deinen Kilt tragen! Ich wünschte, ich könnte dich sehen, bevor du gehst. Wann ist denn das Essen?«
    »Ich gehe um halb sieben aus dem Haus, bangen Herzens«, gestand er.
    Polly versprach ihm, auf dem Heimweg von der Arbeit bei ihm vorbeizukommen und ihm Mut zuzusprechen.
    Qwilleran nahm sich zwei Stunden Zeit, um sich für den schottischen Abend im Vereinshaus anzukleiden. Nachdem er die Katzen gefüttert hatte, verschwand er in seinem Schlafzimmer und machte die Tür hinter sich zu. Dort stand er dann vor den fremdartigen Requisiten: dem Faltenrock, dem ›Sporran‹, den Laschen für die Sockenhalter, der Schottenmütze, dem ›Dubh‹. Bruce Scott, der Besitzer des Herrenausstattergeschäftes, hatte ihm gesagt, es würde ein legerer Abend werden: keine Prince-Charles-Jacke, kein fellbesetzter ›Sporran‹ und keine fransenbesetzten Plaids, die man über die Schulter warf und mit einem ›pochierten Ei‹ befestigte. Bruce hatte ihm eine lederne Gürteltasche und ein für den Anlaß passendes Paar Schuhe verkauft und ihm eine Broschüre mitgegeben, die er studieren sollte.
    Wie in dem nützlichen Büchlein zu lesen war, bestand der Trick darin, Stolz auf seine althergebrachte schottische Tradition zu entwickeln. Schließlich war Qwillerans Mutter eine Mackintosh gewesen, und er hatte Filme gesehen, in denen der Kilt von tapferen Männern getragen wurde, die mit dem breiten Schwert umzugehen wußten.
    Nachdem Qwilleran Punkt eins der Broschüre erfüllt hatte, hüllte er sich nun in ›eine Art kurzen, gefalteten Unterrock‹, wie es im Wörterbuch hieß. Sein maßgeschneiderter Kilt bestand aus acht Metern feinsten Kammgarns im rotgrundigen Mackintosh-Muster. Der heutige Anlaß verlangte dazu einen weißen Rollkragenpullover und eine flaschengrüne Tweedjacke samt grünen Kniestrümpfen und roten Laschen. ›Nicht Maschen ‹, hatte Bruce ihm eingebleut. Die Laschen wurden an den Strumpfbändern befestigt, um die Kniestrümpfe zu halten – ein kleines Detail, dem aber der Herrenausstatter wie auch der Autor der Broschüre große Bedeutung beimaß. Der Kilt selbst mußte am oberen Rand der Kniescheibe enden und durfte keinen Millimeter länger sein. Der Lederbeutel war am Gürtel befestigt.
    Dann gab es noch die Schottenmütze. Qwilleran hatte eine flaschengrüne ›Balmoral‹ – eine flache, runde Mütze – ausgesucht, die auf der rechten Seite keß heruntergezogen wurde. Über der linken Schläfe hatte sie eine Kokarde aus Bändern, oben eine Quaste, und hinten hingen zwei Schleifen herunter. Diese konnte man laut Broschüre zusammenknoten, zu einer Schleife binden oder herunterhängen lassen. Er schnitt sie ab und hoffte, niemand würde es bemerken.
    Als er sich im Spiegel betrachtete, dachte Qwilleran: Nicht übel! Ganz und gar nicht übel! Inzwischen saßen die Katzen murrend vor der geschlossenen Schlafzimmertür. Nach einem letzten Blick in den Spiegel öffnete Qwilleran abrupt die Tür. Die beiden Tiere sprangen auf, stießen dabei mit den Köpfen zusammen und flitzten dann mit gesträubtem Fell die Treppe hinunter.
    Als Polly kam, war sie vor Begeisterung ganz überwältigt. »Qwill!« rief sie und umarmte ihn stürmisch. »Du siehst großartig aus! So schneidig! So männlich! Aber ich hoffe, du verkühlst dir nicht dein verletztes Knie, Lieber.«
    »Sicher nicht«, sagte er. »Der Parkplatz liegt direkt hinter dem Vereinshaus, und bei schlechtem Wetter schlüpfen wir schnell durch den Hintereingang hinein. Ich brauche keine Stiefel oder Ohrenschützer – nur eine Jacke. Außerdem sagt Bruce, das Knie bestehe nur aus Knorpel und spüre die Kälte nicht, solange man gute Wollsocken trägt. Vielleicht stimmt das, vielleicht ist er aber auch nur ein guter Sockenverkäufer. Du

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