Die Katze, die den Dieb vertrieb.
langweilige Schreibtischarbeit war. Er fütterte die Katzen, machte sich selbst ein Sandwich und beschloß, sich diesen Abend seinem Melville-Projekt zu widmen. Das würde ihn von den Würmern ablenken, die unter dem sprichwörtlichen Stein hervorgekrochen waren, als Willard Carmichael nach Pickax gekommen war. Seit damals waren viele merkwürdige Dinge passiert. Morgen würde er zu Brodie gehen und alles auspacken: seltsame Vorfälle, verdächtige Entwicklungen, Gerüchte, seine eigenen Bedenken und sogar Kokos eigentümliches Verhalten in letzter Zeit. Bis dahin aber würde er lesen.
Qwilleran las die Romane von Melville in chronologischer Reihenfolge, in der Hoffnung, die Entwicklung des Schriftstellers nachvollziehen zu können. Zunächst hatte er Abenteuergeschichten und humorvolle Literatur geschrieben. In Moby Dick tauchte dann erstmals Symbolismus auf, und danach schlich sich in seine Geschichten allmählich Pessimismus und Zynismus ein. Koko war von den Werken genauso fasziniert; er hatte eine untrügliche Nase für ein gutes Buch! Doch der Kater hatte seine eigenen Vorstellungen über die Reihenfolge, in der die Bücher gelesen werden sollten. Qwilleran wollte mit Band sieben anfangen, eine Geschichte über einen Schriftsteller mit dem Titel Pierre; Koko wollte, daß er Band zehn las und stieß ihn mit der Nase vom Regal. »Nein, danke«, sagte Qwilleran zu ihm und schlug Band sieben auf. Der Kater peitschte mit dem Schwanz; er war ein schlechter Verlierer.
Um elf Uhr bekamen die Katzen ihr Betthupferl. Anschließend suchten sie ihre Schlafplätze auf, und Qwilleran las in seinem Schlafzimmer weiter. Es war etwa halb zwei, als das Telefon läutete – für Moose County eine unerhörte Zeit für einen Anruf.
Seine Besorgnis verwandelte sich in Ärger, als er die Stimme hörte, die ihm so zuwider war. »Qwill, hier ist Danielle. Ich habe gerade einen Anruf von Carter Lee bekommen. Er macht sich schreckliche Sorgen, und…«
»Was ist passiert?« unterbrach sie Qwilleran schroff; er verspürte ein unangenehmes Gefühl auf der Oberlippe.
»Es ist wegen Lynette. Sie ist ernsthaft krank. Carter Lee dachte, es sei zu spät, Polly anzurufen, deshalb…«
»Wie krank ist sie?« fragte er.
»Sie ist im Krankenhaus. Er hat sie zur Notaufnahme gebracht.«
»In welchem Krankenhaus? Wissen Sie das? Es gibt sicher mehrere.«
»Das hat er mir nicht gesagt. Wenn er wieder anruft…«
»Hat er Ihnen gesagt, was ihr fehlt?«
»Es ist was mit dem Magen.«
»Haben Sie eine Nummer, unter der man Ihren Cousin erreichen kann?«
»Na ja, er hat aus dem Krankenhaus angerufen, und wahrscheinlich ist er noch dort. Wenn er wieder anruft…«
»Und was ist mit der Nummer von dem Hotel, in dem sie wohnen?« fragte Qwilleran ungeduldig.
»Er hat mir nicht gesagt, wie es heißt.«
»Na wunderbar!« sagte er mit beißendem Sarkasmus. »Rufen Sie mich an, wenn Sie irgend etwas erfahren, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und jetzt legen Sie auf, damit ich ein paar Nachforschungen anstellen kann.«
Die Hand auf dem aufgelegten Hörer, saß Qwilleran da und überlegte, wen er als nächstes anrufen sollte. Polly würde er nicht stören; es würde nichts bringen und sie nur die ganze Nacht wachhalten. Er dachte an Lynettes letzten Anruf: das stark gewürzte Essen, die Magenverstimmung, die Medizin, die Carter Lee besorgen wollte. Hatten womöglich Medikamente ihren Zustand verschlimmert? Oder hatte sie sich daraufhin soweit erholt, daß sie sich wieder ins Gewimmel stürzte und weiß Gott was aß?
Er dachte daran, Dr. Diane anzurufen, doch vorher rief er in der Nachtredaktion der Zeitung von New Orleans an und gab sich als Reporter des Milwaukee Journal aus; das hörte sich seriöser an als der Moose County Dingsbums. Er sagte, sein Chefredakteur habe ihm den Auftrag gegeben, einen Notfall aufzuspüren, eine Einwohnerin von Milwaukee, die beim Mardi Gras in New Orleans war. Er sagte, er brauche die Namen und Telefonnummern der Krankenhäuser.
»Per Fax?«
»Nein. Ich warte so lange.«
Eine Minute später gab der Redakteur ihm die gewünschten Informationen durch.
»Vielen Dank. Tut mir leid, daß ich Sie belästigen mußte«, sagte Qwilleran. »Mein Chefredakteur ist ein verdammter Tyrann!«
»Sind sie doch alle. Wie ist das Wetter in Milwaukee?«
»Nicht so gut wie in New Orleans.«
»Ich hoffe, Sie finden Ihre Patientin. Die Notaufnahmen in den Krankenhäusern haben heute nacht alle Hände voll zu tun.«
Erst jetzt rief
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