Die Katze, die für Käse schwärmte
milliardenschwere Erbschaft wohltätigen Zwecken zugeführt hatte. Seine Bewunderer schätzten, daß er ein einfacher Mensch geblieben war: Er fuhr ein kleines Auto, tankte es selbst voll und wusch selbst die Windschutzscheibe, er ging zu Fuß durch die Stadt und fuhr mit dem Fahrrad durch die Gegend. Als Journalist war er an den Menschen, die er interviewte, ernsthaft interessiert. Er reagierte höflich, wenn Fremde seinen Schnurrbart erkannten und ihn auf der Straße oder im Supermarkt begrüßten. Verständlicherweise hatte er im ganzen Bezirk viele Freunde gewonnen, und daß er allein lebte – in einer Scheune, mit zwei Katzen –, war eine Schrulle, die sie zu akzeptieren gelernt hatten.
Qwillerans Mitbewohner waren keine gewöhnlichen Katzen, und seine Wohnung war keine gewöhnliche Scheune. Es war eine achteckige, hundert Jahre alte, vier Stockwerke hohe Apfelscheune mit einem beeindruckenden Bruchsteinfundament und einer Kuppel. Um die Scheune als Wohnung nutzen zu können, waren einige architektonische Veränderungen vorgenommen worden. In die Wände waren dreieckige Fenster eingesetzt worden. Der Innenraum war bis zum Dach offen und hatte drei Galerien, die durch spiralförmig verlaufende Rampen miteinander verbunden waren. Und im Erdgeschoß umgaben die Wohnbereiche einen riesigen weißen, würfelförmigen Kamin mit riesigen weißen Rauchabzügen, die zum Dach hinauf gingen. Die Scheune wäre eine Attraktion gewesen, hätte es der Besitzer nicht vorgezogen, zurückgezogen zu leben.
Die beiden Tiere waren elegante Siamkatzen, deren dunkelbraune Extremitäten in auffallendem Kontrast zu ihrem sandfarbenen Körper standen. Der Kater, Kao K’o Kung, wurde Koko gerufen; er war lang, geschmeidig und muskulös, und seine unergründlichen blauen Augen sprühten vor Intelligenz. Seine Gefährtin Yum Yum war klein und zart und hatte blauviolette Augen, die groß und herzzerreißend dreinschauen konnten, wenn sie auf einem Schoß sitzen wollte. Doch dieses anmutige Geschöpf konnte auch durchdringend kreischen, wenn eine Mahlzeit überfällig war.
Eines Donnerstags morgens im September saß Qwilleran hinter verschlossenen Türen in seiner Privatsuite auf der ersten Galerie, dem einzigen Ort in der Scheune, zu dem die Katzen absolut keinen Zutritt hatten. Er versuchte, tausend Worte für seine Freitagskolumne, ›Aus Qwills Feder‹, zu schreiben.
Emily Dickinson, wir brauchen dich!
»Ich bin niemand. Wer sind Sie?« sagte diese produktive amerikanische Dichterin.
Ich sage: »Gott schenke uns Niemande! Dieses Land braucht weniger Berühmtheiten und mehr Niemande, die ein ganz normales Leben führen, sich tapfer durchschlagen, ein bißchen Gutes tun, ein paar Freuden genießen und deren Namen oder Gesichter niemals, niemals in die Zeitung oder ins Fernsehen kommen.«
»Yau!« beschwerte sich ein Bariton vor der Tür, gefolgt von einem Sopran, der kreischte: »M-m-mach!«
Qwilleran sah auf die Uhr. Es war zwölf Uhr, Zeit für ihren mittäglichen Leckerbissen. Genaugenommen war es drei Minuten nach zwölf, und sie waren sauer wegen der Verzögerung.
Er riß die Tür des Arbeitszimmers auf und stand vor zwei entschlossenen Beschwerdeführern. »Ich würde nicht sagen, daß ihr zwei verwöhnt seid«, schalt er sie. »Ihr seid nur zwei Tyrannen, die nichts anderes als Essen im Kopf haben.« Während sie mit hoch erhobenem Schwanz über die Rampe zur Küche hinunterflitzten, nahm er die Abkürzung über eine metallene Wendeltreppe. Trotzdem waren sie vor ihm an ihrem Futterplatz. Er verteilte ein paar Knusperhäppchen auf zwei Teller – getrennte Teller waren Yum Yums neueste Katzenrechtsforderung gewesen, und er konnte ihr keinen Wunsch abschlagen. Die Hände in die Hüften gestützt, stand er da, um ihnen beim Fressen zuzusehen.
Heute hatte sie es sich jedoch anders überlegt. Sie half Koko, seinen Anteil zu fressen; danach widmeten sich beide ihrem Teller.
»Katzen!« murmelte Qwilleran fassungslos. »Ist es euch beiden Autokraten recht, wenn ich jetzt wieder an die Arbeit gehe?«
Von ihrem Mahl gesättigt, ignorierten sie ihn vollkommen und putzten sich hingebungsvoll ihre Gesichtsmasken und Ohren. Er ging hinauf in sein Arbeitszimmer und schrieb einen weiteren Absatz:
Wir sehnen uns nach Helden, die wir bewundern, nach Vorbildern, denen wir nacheifern können, und was bekommen wir? Die Parade reicht von korrupten Politikern, verrückten Exhibitionisten, bösartigen Erbinnen, launenhaften Künstlern,
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