Die Katze namens Eisbär
Ahnung hatte, was ein Aszendent ist. Immerhin gestand ich ihr, daß ich die ganze Astrologie sehr kompliziert fand.
»Aber nein«, tröstete mich Mrs. Ray lächelnd. »Sie dürfen sich nur nicht entmutigen lassen.«
Aber ich hätte ja weder von Sternzeichen noch Planeten, Häusern oder Aspekten eine Ahnung.
»Ach«, meinte sie, »machen Sie sich da keine Sorgen. Vergessen Sie nicht, es geht nicht nur um den Einfluß der Gestirne auf uns – es geht vor allem darum, wie wir mit ihm umgehen. Die meisten Leute meinen, wenn sie etwas von Astrologie hören, alles sei vorbestimmt. Aber so ist es nicht. In meinen Augen jedenfalls nicht. Mein Ansatz ist so: Ich nehme Ihnen nicht die Verantwortung für Ihr eigenes Leben ab – Sie haben immer die Wahl. Wenn jemand Ihnen gegenüber persönlich wird, können Sie entweder beleidigt sein oder Sie können produktiv damit umgehen. Nehmen wir an, ein Astrologe sagt Ihnen, Sie hätten offenbar eine Neigung zur Destruktivität; dann können Sie ganz positiv damit umgehen, indem Sie beispielsweise beim Abbruch alter Häuser helfen.«
Ich gestand, daß ich das so nie gesehen hätte, aber New York sei natürlich dafür genau der richtige Ort.
Etwas später erklärte mir Mrs. Ray taktvoll, die astrologischen Bücher, an denen ich mich zu bilden versucht hatte, seien in dieser Phase meiner astrologischen Entwicklung einfach noch zu schwierig für mich. Sie habe darum, weil sie schon vor unserer Zusammenkunft diesen Verdacht gehabt hätte, ein Buch mitgebracht, von dem sie glaube, es sei für den Anfang das richtige für mich. Als wir uns nach dem Mittagessen voneinander verabschiedeten, drückte sie es mir in die Hand.
Das Buch hieß How to Learn Astrology und war von Marc Edmund Jones. Noch am selben Nachmittag begann ich mit der Lektüre. Zunächst einmal versuchte ich herauszufinden, was für eine Rolle »Häuser« und »Planeten« in der Astrologie spielen. Mr. Jones erklärte es ganz einfach. »Ein Haus ist ein Ort, wo jemand wohnt, und im Horoskop ist es der Ort, wo sich ein oder mehrere Gestirne befinden.«
Es gibt, wie Mr. Jones erläuterte, zwölf Häuser. Er riet dem Leser, sich als erstes ihre »fundamentale Bedeutung« einzuprägen. Ganz einfach war das nicht, aber ich ackerte mich durch und durfte mich danach, gemäß Mr. Jones’ Vorschlag, mit den verschiedenen Gestirnen und ihrer, wie er es nannte, »grundlegenden Bedeutung« befassen.
Von den Häusern und Gestirnen reisten wir weiter zu Aspekten und Aszendenten, Konjunktionen und Oppositionen, ja sogar Quadrat- und Sextilscheinen. Wenn dies wirklich ein Einführungsbuch war, so war ich im Fach Astrologie offenbar hoffnungslos unbegabt. Ich gab mir wirklich alle Mühe, Mr. Jones’ Ausführungen zu folgen, aber am Ende mußte ich mir schweren Herzens eingestehen, daß mir das alles viel zu schwierig war.
Doch in Bezug auf Eisbär hatte ich noch nicht aufgegeben. Weder die Tatsache, daß ich noch nicht in ein einziges der Bücher über Katzenastrologie hineingesehen hatte, noch meine Unwissenheit bezüglich Eisbärs Geburtsdatum konnten mich jetzt noch beunruhigen. Ich hatte nämlich im Lauf meiner Beschäftigung mit der Astrologie gemerkt, daß da eine ganze Menge paradox verläuft. Osten ist beispielsweise in der Astrologie Westen, und Westen ist Osten. Norden ist Süden, und Süden ist Norden. Gestirne und Häuser bewegen sich nicht im Uhrzeigersinn, sie bewegen sich in der entgegengesetzten Richtung. Je mehr von den einfachen Horoskopen in den Astrologiebüchern ich mir ansah, desto klarer wurde mir, daß die Astrologen sich in Wirklichkeit einfach das Leben einer berühmten Persönlichkeit, jene Einzelheiten, die allgemein bekannt sind, vorgenommen und dann ihre Sternzeichen, Häuser, Planeten, Aszendenten und das ganze übrige Zeug mit diesen bereits bekannten Fakten in Einklang gebracht, also auch hier im Grund genommen das Pferd von hinten aufgezäumt hatten.
Wenn diese Fachleute das so machten, dachte ich bei mir, warum dann nicht auch ich? Ich würde mir Eisbärs gute und schlechte Eigenschaften aufschreiben und sehen, zu welchem Sternzeichen sie am besten paßten. Dann würde ich am Ende genau wissen, unter welchem Zeichen er geboren war.
Und wer weiß – wenn ich zu den Aszendenten und Aspekten, den Konjunktionen und Oppositionen, Quadrat- und Sextilscheinen kam, würde ich vielleicht sogar auch noch Tag und Stunde seiner Geburt bestimmen können.
Ich hatte vier Bücher über Katzenastrologie
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