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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cleveland Amory
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hörte ich sie abfahren, griff ich mir die Gelben Seiten. Ich rief eine Möbelreparaturwerkstatt nach der anderen an – nirgends meldete sich jemand. Es war ja schließlich Samstagvormittag. Aber dann erreichte ich endlich doch eine Werkstatt, die offen hatte. Ich hätte hier einen Schreibtisch, sagte ich, bei dem eine kleine Reparatur notwendig sei. Sie baten um nähere Beschreibung des Schadens.
    »Hm«, meinten sie, »da werden wir wohl die ganze Platte abschmirgeln und neu polieren müssen.«
    Ich entgegnete, sie könnten tun, was sie wollten, Hauptsache, die Platte sähe hinterher möglichst wieder genauso aus wie vorher.
    »Okay«, sagten sie, »wir holen den Schreibtisch am Montag ab. Die Reparatur dauert etwa eine Woche.«
    Das sei ganz ausgeschlossen, sagte ich. Sie müßten das gute Stück sofort abholen und am Montag zurückbringen. In aller Frühe. Bei Tagesanbruch.
    »Wochenendarbeit?« riefen sie. »Haben Sie eine Ahnung, was Sie das kosten würde?«
    Ich versetzte, Geld spiele keine Rolle. Ich versuchte nicht einmal zu feilschen, obwohl der Preis, den sie mir schließlich nannten, so hoch war, daß ich mir für das Geld ein ganzes Wochenende in einer Luxussuite des Arizona Biltmore hätte leisten können. Ein Verdurstender in der Wüste feilscht nicht mit den Inhabern eines rettenden Brunnens.
    Nachdem ich aufgelegt hatte, fertigte ich einen genauen Lageplan aller Dinge an, die sich auf dem Schreibtisch befanden. Dann legte ich einen Gegenstand nach dem anderen, sorgfältig gekennzeichnet, auf einen anderen Tisch. Als ich fertig war, hörte ich draußen schon den Lieferwagen vorfahren. Zwei kräftige Männer marschierten herein, um den Schreibtisch abzuholen. Ehe sie ihn packten, pfiff der eine leise durch die Zähne und sagte: »Mann, Sam, hast du das Brandloch gesehen? Das wird ’ne schöne Operation werden.«
    Was auch immer, sagte ich in meiner Bedrängnis, der Schreibtisch müsse auf jeden Fall am Montag in aller Frühe wieder hier sein.
    Sie warfen einen Blick auf ihren Auftragsschein. »In Ordnung.«
    Und sie hielten Wort. Am Montag morgen, buchstäblich bei Tagesanbruch, fuhren die beiden Männer wieder mit ihrem Lieferwagen vor und schleppten den Schreibtisch herein. Ich sah ihn mir gründlich an. Die Brandfurche war mit bloßem Auge nicht mehr zu sehen; aber selbst Dr. Davis mit neurologischen Röntgenaugen hätte sie nicht mehr entdeckt. Man hatte offensichtlich die ganze Platte um die Tiefe des Brandlochs abgeschliffen und neu furniert. Aber Maserung und Farbe stimmten genau, eine bemerkenswerte Arbeit.
    Als etwas später das Mädchen und die Köchin erschienen, saß ich vor dem Schreibtisch, auf dem ich alles wieder in der alten Ordnung arrangiert hatte, als wäre nichts gewesen. Das Mädchen fragte, ob sie mir das Frühstück bringen solle. Ich bejahte. Sie bemerkte, daß ich keinen Aschenbecher hatte. »Ich hole Ihnen einen«, sagte sie. Ich schüttelte den Kopf. Ich hätte das Rauchen aufgegeben, sagte ich, und würde ihr das gleiche raten, sonst würde sie vielleicht eines Tages noch etwas verbrennen.
    Seitdem habe ich die Karriere von Miß Davis, der späteren Mrs. Reagan, mit Interesse verfolgt. Wenn ich etwas über sie las, kehrten meine Gedanken häufig zu Alexander Hamiltons Schreibtisch zurück, und nach dem Tod von Dr. Davis fragte ich mich manchmal, ob der Schreibtisch ins Haus der Familie Davis in Chicago zurückgekehrt sei oder die Reagans ins Weiße Haus begleitet habe. Jedenfalls dachte ich oft, daß sich mir vielleicht eines Tages Gelegenheit bieten würde, ihn wiederzusehen – und dann wollte ich Mrs. Reagan die Wahrheit über das gute Stück erzählen. Nicht die ganze Wahrheit, wohlgemerkt – dazu ist Mrs. Reagan ihrem Vater zu ähnlich. Ich hatte vor, mich auf einen Teil der Wahrheit zu beschränken, vielleicht ganz beiläufig zu sagen: »Oh, Mrs. Reagan, das ist wirklich ein schöner Schreibtisch, den Sie hier haben, aber, um ehrlich zu sein, ich verstehe etwas von alten Möbeln und halte es für richtig, Ihnen zu sagen, daß die Platte des Schreibtischs meiner Ansicht nach nicht das Original ist.«
    Jahrelang wartete ich, wie gesagt, auf eine solche Gelegenheit, und sie schien sich endlich zu bieten, als ich den Auftrag bekam, nach Washington zu reisen und ein Interview mit Mrs. Reagan zu machen. Ich nahm den Auftrag sofort an. Hier endlich, dachte ich, bekam ich meine Chance, ihr meine Meinung über ihren Schreibtisch zu sagen.
    Das Interview fand auch

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