Die Katze namens Eisbär
Cossette. Ich sah schon Hunderte von Katzen im Madison Square Garden herumtoben und Tausende auf den Straßen rundherum; Katzen, die sich fauchend in die Haare gerieten, die von Autos überfahren wurden, die spurlos verschwanden. Mr. Cossette hielt mir vor, ich hätte eben keine Ahnung vom Wert kostenloser Publicity. Doch, entgegnete ich, davon hätte ich sehr wohl eine Ahnung, aber statt kostenloser Publicity würden wir uns auf diese Weise höchstens einen Haufen toter Katzen einhandeln. Schließlich einigten wir uns auf eine ganz andere Art des Wettbewerbs – nur nach vorheriger Terminvereinbarung.
Je länger ich über diese ganze Idee eines Wettbewerbs nachdachte, desto weniger gefiel sie mir. Ich habe nämlich eine Abneigung gegen Wettbewerbe, die auf ein Erlebnis in meiner Kindheit zurückgeht. In dem Sommer, als ich dreizehn Jahre alt war, hatte eine Bostoner Zeitung einen Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem es darum ging, mit den Buchstaben aus den Wörtern »Pierce Arrow« möglichst viele neue Wörter mit drei oder mehr Buchstaben zu bilden. Die Teilnahme war auf Neu-England beschränkt; ausgerichtet wurde der Wettbewerb von der Firma Pierce Arrow, Hersteller des Automobils gleichen Namens, das damals mehr Prestige besaß als selbst ein Cadillac oder Packard.
Der erste Preis war ein Pierce Arrow, der, soweit ich mich erinnere, zweitausend Dollar kostete, eine astronomische Summe für damalige Verhältnisse. Der zweite Preis war ein Gutschein über tausend Dollar zum Erwerb eines Pierce Arrow, und der dritte Preis ein Fünfhundert-Dollar-Gutschein. Die Annonce erschien, wenn ich mich recht erinnere, im Juni; Einsendeschluß war der letzte Augusttag.
Mein treuer Brookie und ich verzichteten auf alle sommerlichen Vergnügungen wie Schwimmen, Segeln, Baseball und Tennis, um an diesem Wettbewerb teilnehmen zu können. Tag für Tag, Abend für Abend hockte ich mit Brookie an meiner Seite an der Schreibmaschine und tippte Wort um Wort auf Blatt um Blatt. Mit dreizehn besitzt man eine ungeheure Hartnäckigkeit, und wenn auch Brookie mit seinen acht Jahren vielleicht nicht über das gleiche Maß an Ausdauer verfügte wie ich, so bemühte er sich doch nach Kräften und wich mir nicht von der Seite. Ich arbeitete mit einem Dutzend oder mehr Lexika und tippte wie ein Wilder. Wenn ich auf ein Wort stieß, das nicht mindestens in zwei Lexika verzeichnet war, fügte ich eine Notiz an – zum Beispiel »fremdsprachliches Wort, in den meisten amerikanischen Lexika nicht aufgeführt«, oder »australischer Vogel, nur im englischen Lexikon, nicht im amerikanischen.«
Ende August hatte ich die Arbeit endlich abgeschlossen und schickte die sauer erarbeiteten Früchte meines Mühens ein. Ich wartete geduldig und voller Hoffnung. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß jemand mehr Wörter gefunden hatte als ich, es sei denn, er hatte mit einer noch größeren Anzahl fremdsprachlicher Lexika gearbeitet. Kurz und gut, Anfang September wurden die Namen der Gewinner in der Zeitung veröffentlicht, und siehe da, ich hatte den dritten Preis gewonnen.
Die ganze Familie einschließlich Brookie teilte meine Aufregung. Und als ich von der Firma nicht nur einen Brief, sondern auch einen Scheck über fünfhundert Dollar erhielt, war ich restlos glücklich. Ich brauchte, wie es in dem Schreiben hieß, Brief und Scheck nur beim nächsten Pierce-Arrow-Händler vorzulegen.
Brookie und ich gingen zusammen hin. Zuerst wollten sie Brookie nicht in den Ausstellungsraum hineinlassen, wo die Autos standen, aber ich nahm ihn trotzdem mit. Nachdem ich den zuständigen Mann aufgestöbert hatte, zeigte ich ihm Brief und Scheck. Er sah sich beides eine Weile an, dann reichte er sie mir zurück.
»Und?« fragte er.
Ich sagte, wenn es ihm recht sei, hätte ich gern das Bargeld für den Scheck. Ich hätte zwar überhaupt nichts gegen einen Pierce Arrow, erklärte ich höflich, aber da ich erst dreizehn sei, müßte ich noch drei Jahre warten, ehe ich mir meinen selbst abholen könnte – und das, fügte ich verständnisvoll hinzu, wäre doch für ihn wenig interessant. Wenn er mir für den Scheck vierhundertfünfundneunzig Dollar gäbe, wolle ich damit zufrieden sein.
Er schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er, »das geht nicht. Der Scheck hat nur als Anzahlung auf einen Pierce Arrow Gültigkeit.«
Ich ließ mir das eine Weile durch den Kopf gehen. Wieviel er mir denn für meinen Scheck geben würde, fragte ich dann.
»Ich kann dir gar nichts
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