Die Katze namens Eisbär
daß er niemals das Wort »Frauen« gebrauchte – die letzte Wahl zu treffen. Aus den 51 Siegerinnen der Bundesstaaten sollten wir die Miß USA küren, die dann im Wettstreit um den Titel der Miß Universum gegen die »Mädels« der anderen Länder antreten würde.
Die jungen Damen mußten sich der Jury einmal im Badeanzug und einmal im Abendkleid vorstellen; weitere Wahlkriterien waren persönliche Ausstrahlung und besondere Begabung.
Von den Gesprächen mit den Bewerberinnen erhielten die Mitglieder der Jury Informationsblätter mit den biographischen Daten jeder Teilnehmerin und einigen kurzen Angaben über ihr Zukunftsziel und die Gründe ihrer Teilnahme an dem Wettbewerb. Erstaunlich viele hatten, wie ich feststellte, die beiden Fragen in einem beantwortet: Ihr großes Ziel war es, Miß USA zu werden.
Als ich am Tag der Ausscheidung ins Hotel kam, sah ich, daß es von Hunderten von Streikposten der puertoricanischen sozialistischen Partei umstellt war. Fuera Yanqui! Fuera Miß USA! stand auf ihren Transparenten. Ihr Anführer erklärte der Presse und dem Fernsehen die Gründe des Protests. »Diese Miß-Wahl«, sagte er, »ist eine gemeine Ausbeutung von Frauen, die hier zu Sexualobjekten erniedrigt werden.«
Am Abend, als das Schauspiel in vollem Gange war und eben die Siegerin, Miß Hawaii, bekanntgegeben werden sollte, gab es ein fürchterliches Getöse. Erst später erfuhr ich, was dahintersteckte. Man hatte im Hotel einen Bombenanschlag verübt. Mitglieder einer zweiten puertoricanischen Partei, der Independencia, hatten die elektronischen Geräte im obersten Stockwerk des Hotels außer Betrieb setzen wollen, um so die Übertragung der großen Show zu verhindern. Da es dort oben jedoch von Polizei wimmelte, konnten sie nicht hinaufgelangen und bombardierten statt dessen das Stockwerk darunter, in dem sich die Zimmer der Preisrichter befanden.
Die Bombe explodierte in Zimmer 663 – ich hatte 662. Als die Polizei mir endlich gestattete, mein Zimmer zu betreten, erwartete mich ein Trümmerfeld. Der ganze Balkon war abgerissen, und mit ihm war meine neue Badehose in die Luft geflogen, die ich zum Trocknen hinausgehängt hatte. Während ich mir die Bescherung ansah und an den großen Ball dachte, der noch stattfinden sollte, versuchte ich, wie das meine Art ist, das Positive zu sehen. Im Badekostüm konnte ich mich jetzt nicht mehr präsentieren – aber da hätte ich sowieso keine Chance gehabt. Ich würde mir meine Punkte eben im Abendkleid und mit meiner persönlichen Ausstrahlung holen müssen.
Soviel zu meiner Richtertätigkeit bei der Wahl der Miß USA. Der von Mr. Cossette geplante Katzenwettstreit würde natürlich unter etwas anderen Voraussetzungen stattfinden. Eine Vorstellung im Badekostüm war beispielsweise nicht vorgesehen. Und das war gut so. Ich kenne zwar viele Katzen, die gern schwimmen, aber Eisbär gehört nicht zu ihnen. Im Gegenteil, er ist ausgesprochen wasserscheu, wie ich eines Morgens schmerzhaft erfuhr. Er spazierte, wie er das mit Vorliebe zu tun pflegte, auf dem Rand der Wanne umher, während ich mein Bad nahm, und schaffte es tatsächlich, ins Wasser zu fallen. Leider geriet er nicht nur fürchterlich in Panik, sondern plumpste auch noch direkt bei meinen, wie ich es einmal taktvoll nennen will, unteren Regionen ins Wasser. Ehe ich reagieren konnte, schlug er mir nach mehreren vergeblichen Schwimmversuchen die Krallen in den Leib, um bei mir Fuß zu fassen. Ich versuchte zwar, mich mit blitzschnellem Untertauchen und einer meisterhaften Rolle der schmerzhaften Umklammerung zu entziehen, dennoch war Eisbär an diesem Morgen nicht der einzige, der in Panik geriet.
Nicht nur würde es keine Vorstellung im Badekostüm geben, es würde auch keine Parade im Abendkleid stattfinden. Alle im Wettbewerb befindlichen Katzen würden genau wie Eisbär in weißem Fell erscheinen. Es blieben aber noch zwei andere wichtige Kriterien. Beim ersten ging es um die persönliche Ausstrahlung. Hier würde die Entscheidung zweifellos schwerfallen, da jede schlichte Katze mehr persönliche Ausstrahlung besitzt als der charismatischste Mensch. Beim zweiten, ebenso entscheidenden Punkt ging es um besondere Talente.
Nach den Briefen und Fotos zu urteilen, die in Massen ankamen, mangelte es den Bewerbern nicht an besonderen Talenten. Doch ehe ich mich diesen zuwandte, staunte ich erst einmal, welche Mengen an weißen Katzen es im Lande gab: Es mußten Tausende, ja Hunderttausende sein. Viele der
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