Die Katze namens Eisbär
denkt, sie herzugeben, obwohl die Katze gegen die Freundin allergisch ist? Aber da träumte ich schon, und im Traum stieß das alles mir zu. Ich rannte, wie ich schon sagte, von Arzt zu Arzt, wobei ich inständig hoffte, einer von ihnen würde mir den einzig möglichen Rat geben: Lassen Sie die Frau sausen. Aber nein, nicht einmal im Traum gab mir auch nur ein einziger von ihnen diesen Rat.
Aber Spaß beiseite, etwa um die Zeit dieses Fiaskos mit der Bostoner Freundin entwickelte Eisbär tatsächlich einige Allergien. Allerdings hatte er das Glück, nicht wie die meisten Katzen zum Tierarzt zu müssen, um sich seine Spritzen geben zu lassen; vielmehr kamen die Spritzen zu ihm. Es war mir mit List und Tücke gelungen, seine Tierärztin, Susan Thompson, zu überreden, bei ihm ausnahmsweise Hausbesuche zu machen.
Auf den ersten Blick schien dieses Arrangement sehr vorteilhaft, sowohl für Eisbär als auch für mich; Eisbär blieben die verhaßten Besuche bei der Tierärztin erspart, und mir blieben die Strapazen erspart, ihn in seinen Korb bugsieren und dann mit ihm im Wartezimmer sitzen zu müssen. Bei genauerem Hinsehen jedoch hatte auch dieses Arrangement gewaltige Haken. Den Spritzen konnte Eisbär dennoch nicht entkommen, und für mich hatte die Geschichte, wie sich gleich zeigen wird, traurige Konsequenzen.
Tief im Innern liebt Eisbär Dr. Thompson, aber die Tatsache, daß sie Tierärztin ist, hindert ihn daran, es zu zeigen. Als sie das erstemal zu uns kam, hatte er allerdings, vergeßlich wie er in bezug auf Menschen ist, keine Ahnung mehr, daß sie Tierärztin war, und zeigte sich sehr zutraulich. Doch das änderte sich schlagartig, als ihm aufging, daß sie nicht gekommen war, um ihm einen Freundschaftsbesuch zu machen, sondern um ihm eine Spritze zu verpassen. Da war es mit der Freundschaft aus, und sie wurde seine Erzfeindin. Das geschah, wie schon gesagt, nicht allmählich, sondern in unmittelbarer Reaktion auf die erste Spritze. Von Dr. Thompsons zweitem Besuch an pflegte er regelmäßig zu verschwinden, sobald sie erschien, und ich mußte ihn dann aufstöbern und zu ihr schleppen – eine äußerst mühsame Angelegenheit, da er dabei unweigerlich ein Theater machte, bei dem er all seine sängerischen und schauspielerischen Talente voll entfaltete und seine erbarmungswürdigen »Ajaus!« mit markerschütterndem Gezeter begleitete. Gleichzeitig sah er mich mit Blicken an, die deutlich seine Fassungslosigkeit darüber ausdrückten, daß ich es fertigbrachte, ihn der Folter dieser teuflischen Ärztin preiszugeben.
Und dieses ganze Getue wegen einer Spritze, die binnen weniger Sekunden erledigt war, die ihm kaum Schmerz bereitete und so wenig Eindruck hinterließ, daß er anschließend nicht nur blieb, sondern Dr. Thompson wieder uneingeschränkte Zuneigung zeigte.
Aber nicht mir. Es kam ihm gar nicht in den krausen kleinen Kopf, mich in Gnaden wiederaufzunehmen, als er merkte, daß alles nur halb so schlimm war. Nein, mir gegenüber blieb er unversöhnlich. Aber es kam noch schlimmer: Mit Dr. Thompsons regelmäßigen Besuchen bei uns setzte sich in ihm ein finsteres Mißtrauen gegen jede Frau fest, die mich, gleich, aus welchen Gründen, in meiner Wohnung aufsuchte. Marian allein war vor seiner Feindseligkeit sicher. Ich bin überzeugt, sie fiel nur deshalb nicht in Ungnade, weil sie sich von jeder Katze um den Finger wickeln läßt. Sie schafft es ja nicht einmal, ihrer eigenen Katze die Krallen zu schneiden oder schneiden zu lassen. Ich weiß nicht, ob diese Informationen Eisbär über das Buschtelefon erreichten oder ob er sich sein Urteil über sie aus eigener Anschauung bildete. Aber offensichtlich wußte er irgendwoher, daß Marian sich niemals zu der Gemeinheit verleiten lassen würde, ihm eine Spritze zu geben.
Wie gesagt, Marian war die einzige Ausnahme. Jede andere Person weiblichen Geschlechts, die an meiner Wohnungstür erschien, war in Eisbärs Augen eine Feindin, die es womöglich nur darauf abgesehen hatte, ihm eine Spritze in den Hintern zu verpassen. Es ist wohl klar, daß damit meine Aussichten auf weitere romantische Tändeleien für immer zerstört waren. Ich übertreibe nicht, glauben Sie mir. Die zweite Tragödie ist nämlich, daß die meisten Frauen, die zu mir kommen, dies nicht etwa tun, um mich zu besuchen, sondern, so schwer erträglich das für mich ist, um Eisbär zu sehen. Und wenn der Besuch dann so ganz anders ausfällt, als sie ihn sich vorgestellt hatten; wenn Eisbär
Weitere Kostenlose Bücher