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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Ihr könnt nicht einmal ahnen, was euch widerfahren ist, weil ihr nicht glaubt. Oh, was sind Menschen leichtfertig! Sie vermeinen alles zu wissen, aber in Wahrheit sehen sie nur eine Hälfte der Wahrheit.«
    Der Graue holte Atem, sah jedem von ihnen aufs Neue ins Gesicht. Seine Miene war immer noch ernst, aber nicht unfreundlich.
    »Ich kenne diesen Brunnen«, sagte er. »Mimirs Brunnen nennt man ihn hier. Wisst ihr, was es bedeutet, am Mittsommertag um diesen Brunnen zu schreiten?«
    Hagen warf Siggi einen Blick zu, als wollte er sagen: Habe ich doch Recht gehabt! Und Siggi erinnerte sich an die Inschrift, jene seltsamen gekratzten Zeichen, die er für Zufall gehalten hatte. Er fühlte das Auge des Grauen auf sich ruhen und wagte es nicht, Hagens Blick zu erwidern.
    »Schreitet man am Tage der Sommersonnenwende dreimal um diesen Brunnen«, fuhr der Alte fort, »öffnet sich für eine Nacht das Tor zum Reich der Alben. Seid also willkommen in der Anderswelt …«
    »Das ist doch Schwachsinn!«, entfuhr es Hagen. Er schob das Kinn vor und sah dem Grauen direkt ins Gesicht. »Das glaubt doch kein Mensch – die Anderswelt, das ist doch bloß ein Märchen für Kinder. Du bist wohl nicht ganz richtig im Kopf.«
    Siggi blickte entsetzt auf, aber der Alte schmunzelte nur, sah Hagen irgendwie mitleidig an und winkte ab. »Du wirst sehen«, sagte er, »dass ich Recht habe. Du bist in der Anderswelt, nah an deiner Welt und doch weit, weit weg. Erinnere dich, Hagen« – zum ersten Mal benutzte der Graue einen ihrer Namen -, »der Donner am Brunnen; das Gewitter, das irgendwann nicht mehr näher kam; auch die Wege im Wald waren nicht mehr so wie in deiner Welt; das Unterholz wurde dichter; das Zwielicht; der Nebel; die Schwarzalben; die Raben, die euch führten. Hat sich die Welt um dich herum nicht verändert? Du wirst mir glauben müssen, Hagen. Und auch ihr, Gunhild und Siegfried. Ihr habt das Tor aufgestoßen, habt es durchschritten und seid nun in der jenem Teil der Welt, der den Menschen eigentlich verschlossen ist.«
    Hagen blickte den Alten weiter misstrauisch an; Gunhild konnte man ihre Zweifel im Gesicht ablesen. Und Siggi? Siggi glaubte ihm. Es war so überzeugend, was er sagte. Es musste stimmen. Irgendwie wollte er, dass es wirklich so war …
    Der Alte wandte sich ab, starrte, so schien es Siggi, ins Nichts.
    »Und ich hatte gedacht, die alten Sagen wären alle zu Ende«, sagte er mehr zu sich, als zu den Kindern. »Doch alles bewegt sich im ewigen Kreis. Mir scheint, die Nornen meinen es gut mit mir. Vielleicht habe ich die Möglichkeit, die Geschichte so zu wenden, wie es damals nicht vermochte.« Aus seinen Worten sprach eine wilde, verzweifelte Hoffnung.
    Siggi, Gunhild und Hagen sahen sich entgeistert an, sagten aber nichts. In Siggi begannen wieder Zweifel zu keimen. War dieser alte Mann echt, oder war er doch irgendwie nicht richtig im Kopf?
    Der Graue war in Gedanken versunken, schien keine Notiz mehr von ihnen zu nehmen.
    Siggi beugte sich zu Hagen rüber.
    »Willst du ihm nicht«, flüsterte Siggi so, dass nur Hagen und Gunhild ihn verstehen konnten, »von dem Ring erzählen?«
    »Ich bin doch nicht blöd!«, zischte Hagen leise zurück. »Ich trau dem durchgeknallten Greis nicht. Denkt dran, ich «, das Wort betonte er besonders, »habe den Ring gefunden. Sagt ihr auch nichts davon. Der Kerl braucht nicht alles zu wissen!«
    Hagen wollte offensichtlich die Sache mit dem Ring für sich behalten. Siggi verstand zwar nicht so recht, warum, aber hielt es für besser, dem Wunsch seines Freundes Folge zu leisten, und so nickte er, ebenso wie Gunhild.
    Hagen hatte offenbar schon die Frage als Zumutung angesehen. Mürrisch wandte er sich ab. Seine rechte Hand glitt in die Tasche seiner Shorts, und er betastete den Ring.
    Es war sein Ring; denn er war schließlich den Schacht hinuntergeklettert. Auch wenn Siggi ihn – vielleicht – zuerst gesehen hatte! Kein anderer sollte je Hand an seinen Schatz legen.
    Der Graue kehrte aus seiner Gedankenwelt zurück, und er wandte sich wieder den Kindern zu.
    »Gibt es da noch etwas, von dem ihr mir berichten könnt? Irgendetwas Besonderes, das auch aufgefallen wäre?«, fragte er und konnte dabei eine innere Spannung nicht unterdrücken. Sein graues Auge nagelte Siggi und Gunhild förmlich fest. Siggi erschien es, als könne es auf den Grund seiner Seele blicken.
    »Nein«, sagte Gunhild, »nicht, dass ich wüsste. Stimmt’s, Siggi?«
    Der war nur fähig zu nicken, denn

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