Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan
rötliche Felsvorsprung. Dahinter ist das Plateau. Dort solltest du landen, Onkel.«
Nimrod befolgte Johns Anweisung und landete den großen blauen Teppich sanft auf dem hohen grasbewachsenen Gipfelplateau eines ziemlich gewöhnlich aussehenden Hügels. Die unauffällige Hochfläche nahm etwa zweieinhalb Quadratkilometer ein, und der Boden war an einigen Stellen felsig, an anderen morastig. Der purpurne Himmel begann sich gerade schwarz zu färben, als John erklärte, dass sie endlich am Ziel seien.
»An welchem Ziel?«, fragte Groanin.
Ein kalter Wind bewegte das Gras und kleinere Steine und pfiff über das verlassene Plateau, als würde schon jetzt etwas Unheilvolles und Unsichtbares auf ihre Gegenwart aufmerksam machen. Ganz allmählich verwandelte sich der Dunstschleier um sie herum in Nebel.
»An welchem Ziel?«, fragte Groanin noch einmal. »Hier ist nichts. Überhaupt nichts. Das ist der ödeste Ort, den ich je gesehen habe.«
»Und der unheimlichste«, stellte Philippa fest.
»Wenn jeder sehen könnte, wo es liegt, wäre das verschwundene Grab des Dschingis Khan nicht verschwunden, Groanin«, sagte Nimrod.
»Nein, vermutlich nicht«, sagte Groanin. »Trotzdem hat Philipparecht. Der Platz hier ist unheimlicher als eine Leichenhalle, in der es um Mitternacht quietscht.«
»Wenn es nur nicht so dunkel wäre«, sagte Axel. Er hielt seine kleine bleistiftdünne Taschenlampe in der Hand und schwenkte den regelrecht fest wirkenden Strahl wie einen weißen Stab über das Plateau. »Es sieht nicht so aus, als wäre in letzter Zeit jemand hier gewesen.« Er sah John an. »Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«
»Wir sind richtig«, sagte John.
»Vielleicht sollten wir bis zum Morgen warten, ehe wir losziehen und die Gruft suchen«, sagte Nimrod. »Wir müssen ein Lager errichten und Feuer machen. Und etwas essen. Das wird uns aufheitern.«
»Nein«, sagte John bestimmt. »Das wäre keine gute Idee.«
»Warum nicht?«, fragte Nimrod.
John antwortete nicht gleich. Er entfernte sich ein Stück von den anderen und starrte angespannt in den dichter werdenden Nebel, fast so, als vermute er, dass er etwas Bedrohlicheres enthielt als feuchte Nachtluft. Als er schließlich antwortete, klang seine Stimme beunruhigt – ja, sogar ein wenig geheimnisvoll.
»Ich glaube, es wäre besser, wenn wir jetzt gleich nach dem Grab suchen«, sagte er leise.
»Das kann nicht dein Ernst sein«, sagte Groanin. »Es ist stockdunkel. Bei dem Licht würden wir nicht mal Schloss Windsor finden.«
»Vergessen Sie da nicht etwas?«, warf Philippa ein. »John weiß, wo es ist. Das Grab, meine ich. Nicht das Schloss.« Sie sah ihren Bruder an und lächelte höflich. »Apropos, wo ist es eigentlich?«
»Wir sollten jetzt danach suchen«, sagte John, »gerade
weil
esdunkel ist. Und weil ich glaube, dass wir es uns nicht leisten können, bis zum Morgen zu warten.«
Nimrod ging hin, stellte sich neben seinen Neffen und starrte in den Nebel. Nach einer vollen Minute flüsterte er: »John?«
»Da ist etwas im Nebel«, antwortete dieser leise.
Groanin schüttelte furchtsam den Kopf und spürte, wie Philippa seine Hand nahm. »Mir gefällt es hier überhaupt nicht«, wisperte er.
»Mir auch nicht«, gestand sie. »Wir sollten lieber zusammenbleiben, hm?«
»Ja, Miss, das hört sich gut an.«
»Was ist es?«, fragte Nimrod. »Ich kann weder etwas sehen noch spüren.«
John gab zunächst keine Antwort. »Ich spüre das nicht als Dschinn und auch nicht mit meiner menschlichen Hälfte«, gab er schließlich zu. »Ich spüre es mit dem Teil von mir, der Kauwida war.«
Nimrod nickte. »Natürlich. Das leuchtet ein. Mit dem sechsten Sinn eines Tiers.«
Was immer dort im Nebel ist«, sagte John, »ist etwas, das schon immer hier war, an diesem Ort.«
»Kannst du erkennen, was es ist?«
John schüttelte den Kopf.
»Ein böser Geist?«, fragte Nimrod. »Ein Dämon? Ein Elementon vielleicht?«
»Nein. Ich weiß nur, dass es da ist.«
Er starrte noch eine Weile in den Nebel, dann entspannte er sich. »Egal, was es war, im Moment ist es verschwunden.«
Nimrod murmelte sein Fokuswort und schuf ein großes loderndes Lagerfeuer mitten auf dem Plateau.
»Schon besser«, sagte der Professor. Er rieb sich die Hände und hielt sie über die Flammen. »Ich muss zugeben, dass ich diesen Ort hier ausgesprochen unbehaglich finde, auch wenn er, rein optisch, ein bisschen an Island erinnert.«
Der Wind wurde stärker und diesmal brachte er
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