Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan
von Dschingis Khan
Philippa und John standen auf und wechselten über der schlafenden Gestalt ihres Onkels besorgte Blicke. Ein schrecklicher, unvorstellbarer Gedanke wanderte zwischen ihnen hin und her, den keiner von ihnen in Worte kleiden wollte. Schließlich war es John, der seinen ganzen Mut zusammennahm und ihren gemeinsamen Gedanken zumindest teilweise aussprach.
»Sind Sie sicher, dass er schläft, Groanin?«, fragte er.
Groanin kniete sich neben seinen Dienstherrn und nickte. »Jawohl, mein Junge. Er schläft wie ein Baby.«
»So habe ich ihn noch nie gesehen«, sagte Philippa. »Sechs Abenteuer haben wir zusammen durchgestanden, und er hat dabei kein einziges Mal auch nur gegähnt.«
»Sechs waren es?«, fragte Groanin. »Es kommt mir vor, als wären es viel mehr gewesen. Und gleichzeitig auch weniger. Ich habe oft gedacht, wir würden alle zusammen noch lange so weitermachen. Aber in letzter Zeit … in letzter Zeit habe ich das komische Gefühl, dass es irgendwie zu Ende geht.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte John.
»Nun, ihr werdet natürlich erwachsen«, sagte Groanin. »Im Grunde seid ihr keine Kinder mehr. Du, John, wirst langsam ein junger Mann und du, Philippa, eine wunderschöne junge Frau.«
Die Zwillinge sahen sich einen Moment lang betreten an und suchten nach Anzeichen dafür, dass das, was Groanin gesagt hatte, stimmte. Doch sie konnten nichts entdecken, kein Anzeichen dafür, dass sie irgendwie anders waren als vorher.
Er hat sicher übertrieben. Vielleicht wollte er damit eigentlich etwas ganz anderes sagen, überlegten sie.
Philippa sah zu ihrem Onkel hinab.
»Sie glauben doch nicht etwa … « Sie zögerte. Groanins Worte hatten sie keineswegs beruhigt. Wenn überhaupt, war sie jetzt noch besorgter als vorher. »Oh Groanin, Sie glauben doch nicht, dass Onkel Nimrod stirbt, oder?«
»Dass er
stirbt
?« Groanin runzelte die Stirn. »Wie kommst du denn darauf, Mädchen?«
Philippa zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Aber er wird schließlich auch nicht jünger.«
»Es ist bloß, dass er plötzlich älter aussieht«, stellte John fest. »Ist Ihnen das nicht aufgefallen? Seine Haare sind viel grauer, als sie es in Neapel waren, oder?«
»Du siehst auch grauer aus, Jungchen«, sagte Groanin. »Und jeder andere Mensch, der Haare hat, im Gegensatz zu mir. Es ist die Vulkanasche, die sie so grau gefärbt hat, wie alles andere auch. Die Asche vom Strand in Sumatra.« Bei diesen Worten bückte er sich und blies ein wenig Grau aus Nimrods Haaren.
Philippa seufzte erleichtert.
»Ich passe auf ihn auf, macht euch keine Sorgen«, sagte Groanin, zog seinen Dufflecoat aus und legte ihn Nimrod behutsam um die Schultern. »Geht und helft dem Professor, den Eingang zu dieser Gruft zu finden, damit wir von hier verschwinden können, bevor uns allen etwas Schreckliches zustößt.« Er schüttelte den Kopf. »Davor habe ich Angst, muss ich sagen.«
Der Professor hatte ein kleines Instrument in der Hand, das wie ein komplizierter Kompass aussah. Er hielt das Gerät auf Hüfthöhe, brachte den Peilkompass in die Waage und schaute nach unten in einen kleinen Spiegel. Dann brachte er das Ziel und das große Visier mit der Spiegelmitte in Übereinstimmung und las die Winkelgrade ab.
»Das ist ein Brunton-Kompass«, erklärte er den Zwillingen, die ein solches Instrument noch nie gesehen hatten. »Eigentlich ist er als Brunton Pocket Transit bekannt. Kein Geologe, der etwas auf sich hält, geht jemals ohne eins dieser kleinen Dinger aus dem Haus. Bruchlinien, Kontaktgestein, Foliationen, Sedimentschichten, Krater – es gibt keine geologischen Phänomene, die dieses Ding nicht erkennen kann.«
Auch Axel hatte einen Brunton und nahm von der anderen Seite der Scheune aus Messungen vor.
»Also, das ist wirklich phänomenal«, sagte der Professor.
»Was denn?«, fragte John.
»Wie euer Onkel erkannt hat, dass dieses Plateau vollkommen eben ist. Glatt wie die Oberfläche eines Billardtisches. Man kann sich kaum vorstellen, dass sie diese Fläche mit Pferden platt gestampft haben. Wenn man mir erzählt hätte, sie sei mit einer schweren Gartenwalze bearbeitet worden, hätte ich es eher geglaubt.«
»Das haben sie aber«, sagte John. »Ich war dabei. Besser gesagt, Kauwida war es. Und ich erinnere mich an das, woran sie sich erinnert.«
»Nimrod hatte schon immer ein gutes Gefühl für Proportionen«, sagte Philippa. »Er kann sogar freihändig einen perfekten Kreis zeichnen, wissen Sie? Sie
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