Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan
war völlig klar, worauf ihr Bruder hinauswollte.
»Oh nein«, sagte sie und strich Moby über den Kopf. »Du hast ihn noch nie leiden können. Wenn ich ihn hier rausfliegen lasse, haben wir in null Komma nichts einen Entenbraten.«
»Ist es dir lieber, wenn ich gebraten werde?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Tja, dann.« Frustriert schleuderte John einen weiteren Knochen in die Luft. »Wenn du mich fragst, wird es langsam Zeit, dass diese Ente ihr Flugticket bezahlt.«
»Er hat recht, Philippa«, sagte der Professor. »Wir müssen die Kraft des Wurms an etwas Lebendigem testen.« Er zuckte die Achseln. »Immerhin wäre es ja möglich, dass er nicht mit etwasrechnet, das aus dem Loch geflogen kommt und immer weiter fliegt.«
Philippa erwiderte nichts.
»Weißt du«, fuhr der Professor fort, »als ich noch ein Junge war, bin ich immer auf Entenjagd gegangen. Aber ich habe nie einen Vogel getroffen. Nicht einen. Enten sind in der Luft ziemlich schnell. Viel schneller, als man glaubt. Ich meine, mich zu erinnern, dass sie bis zu neunzig Stundenkilometer schnell fliegen können.«
»Und was lernen wir, wenn der Wurm ihn verpasst?«, fragte Philippa. »Doch nur, dass Enten schnell fliegen können.«
»Dann wissen wir, dass der Wurm vielleicht müde wird«, entgegnete John lahm. »Aber es stimmt natürlich. Wir würden wesentlich mehr erfahren, wenn Moby getroffen wird.« Wieder schleuderte er einen Knochen aus der Öffnung. »Was soll ich sagen? Mehr Ideen habe ich nicht. Und falls du nicht willst, dass ich die Leiter runtersteige und riskiere, unter diesem Ossariumdings begraben zu werden, haben wir auch keine Knochen mehr.«
Philippa nickte. Sowohl John als auch der Professor hatten ohne Zweifel recht, doch das machte es ihr keinesfalls leichter, das Leben ihrer zahmen Ente aufs Spiel zu setzen. Sie stand auf und nahm Moby auf den Arm. Dann küsste sie ihn auf den Kopf und wisperte sanft in seine mehr oder weniger unsichtbaren Ohren. Schließlich hob sie ihn in das Loch über ihren Köpfen und warf den Vogel in die Luft, als wäre er eine Brieftaube, die sie auf eine wichtige Mission schickte.
Unter lautem Flügelschlagen und Quaken erhob sich Moby eilig in die Lüfte.
»Flieg, Moby, flieg!«, rief Philippa, als die Ente aus ihrem Sichtfeld entschwand.
Dann folgte ein blauer Blitz, und mit einem angsterfüllten Schrei riss Philippa dem Professor den Kompass aus der Hand und sah gerade noch, wie Moby mit einem lauten Plumps auf das Plateau fiel, als habe ihn ein versteckter Entenjäger erwischt. Doch er war nicht tot. Er lag einen Moment betäubt und mit einem abgespreizten Flügel am Boden, schüttelte dann den Kopf und kam wieder zu sich. Leise quakend rappelte er sich auf und begann, sich dort, wo ihm nun ein paar Federn fehlten, zu putzen.
Was dazu führte, dass ihn ein weiterer Blitz erwischte.
Moby quakte laut und schlug einen Salto, als der Stromstoß ihn von den Füßen warf.
»Halt still, Moby!«, schrie Philippa. »Beweg dich nicht! Es ist die Bewegung, die den Wurm angreifen lässt. Halt still oder er bringt dich um!«
Doch John war bereits zu einem ganz anderen Schluss gekommen.
Schadenfreude
Groanin hatte sich nicht von der Stelle gerührt, seit der schleimige Riesenwurm auf dem Plateau aufgetaucht war. Welch tödliche Gefahr von der abscheulichen Kreatur ausging, hatte sich schnell gezeigt, als eine arme Fledermaus, vom Licht in der Scheune angelockt, hereingeflattert kam und von einem gewaltigen Stromstoß aus dem pulsierenden Leib des Wesens getroffen wurde. Als sie auf dem Boden aufschlug, sah die Fledermaus aus wie eine verbrannte Frisbeescheibe.
Das flammende Schicksal der Fledermaus hatte Groanin klargemacht, wie wichtig es war, sich absolut regungslos zu verhalten, um nicht die Aufmerksamkeit des Wurms auf sich zu ziehen. In dieser Hinsicht war es ein Glück, dass er neben dem schlafenden Nimrod saß, als das grässliche Riesenwurmding – wie er es inzwischen bei sich nannte – aus dem feuchten mongolischen Nebel gekrochen war. Im Sitzen konnte man leichter stillhalten: Wenn Groanin eines wusste über große grässliche Tiere, die gern töteten, dann, dass es immer angeraten war, sich nicht zu bewegen. In der Hoffnung, den schlafenden Dschinn aufzuwecken, hatte er Nimrod mit zusammengepressten dritten Zähnen so laut angerufen, wie er es nur wagte. Trotzdem schlief sein Arbeitgeber tiefer, als man es je für möglich gehalten hätte. In all den Jahren, die Groanin schon für
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