Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi
dass mein Vater davon weiß. Er wird mich garantiert aufstöbern. Schließlich will ich gar nicht, dass er irgendetwas tut. Ich will nur mit ihm reden. Und ein paar Stunden mit ihm zusammen sein.
Er lächelte.
»Das gefällt mir schon viel besser«, sagte Dybbuks Mutter. »Ich will einfach nur das, was dich glücklich macht, mein Schatz.«
Iblis hatte immer damit gerechnet, dass sein jüngster Sohn irgendwann in Las Vegas auftauchen würde. Seit Jahren hatte er es kommen sehen, wenn auch vielleicht nicht ganz so schnell. Und es war ein Glück für Iblis – und damit natürlich Pech für den Rest von uns –, dass Dybbuk und seine Mutter in der Welthauptstadt des Glücksspiels auftauchten, kurz nachdem Iblis von einem Paar schwarzer Dschinn-Tiger angefallen worden war. Angefallen und derartig zugerichtet, dass er seinen bisherigenKörper verlassen und sich einen neuen suchen musste. Mit dieser drögen Aufgabe war Iblis gerade beschäftigt, als er plötzlich die Gegenwart seines Sohnes spürte – genau in dem Moment, als Dybbuk auf dem McCarran International Airport aus dem Flugzeug stieg und die Wüstenrollbahn betrat. Auch das war ein glücklicher Zufall für Iblis. In seiner menschlichen Gestalt hätte er die Gegenwart des Jungen vielleicht niemals wahrgenommen. Dschinn sind in körperlicher Gestalt für kosmische Vibrationen weniger empfänglich.
Mit Lichtgeschwindigkeit schoss Iblis durch die trockene Luft von Nevada, wie eine unsichtbare Bombe auf dem Weg zu ihrem ahnungslosen Ziel. Er fand den Jungen und seine Mutter vor der Gepäckausgabe und erkannte Jenny Sacstroker in ihrem scharlachroten, mit Rheinkieseln besetzten Hosenanzug sofort. Der Junge war groß, gut aussehend und besaß offensichtlich Charisma. Genau wie sein Vater, sagte sich Iblis geschmeichelt. Er brauchte nur wenige Sekunden, um von Dybbuks Geist Besitz zu ergreifen und die Geheimnisse seines jungen Herzens zu ergründen. Mit einem düsteren, ätherischen Lächeln wurde dem gasförmigen Iblis klar, dass ein brillanter Plan, der seit dreizehn Jahren auf seine Ausführung wartete, augenblicklich in Aktion treten konnte.
So schnell, wie er von Dybbuks Körper Besitz ergriffen hatte, war Iblis auch wieder verschwunden, ehe Jenny Sacstroker oder Dybbuk selbst auch nur bemerkten, dass der Geist des bösen Dschinn in ihrer Nähe gewesen war.
»Was ist los?«, fragte sie Dybbuk. »Du warst für einen Moment völlig weggetreten.«
»Wirklich?«
»Ja. Ich hatte dich gebeten, den Koffer zu nehmen, aber es war, als hättest du mich gar nicht gehört.«
»Hab ich auch nicht. Meine Ohren … Mir macht der Flug immer noch zu schaffen. Ich hasse Flugzeuge fast ebenso sehr wie Busse.«
»Das geht vorbei. Nimm noch eine Platzangsttablette.«
»Ich verstehe immer noch nicht, warum wir überhaupt mit dem Flugzeug gekommen sind statt in einem Wirbelsturm.«
»Jetzt sind wir ja da, nicht? Also hör auf, dich zu beklagen. Ich will keine Aufmerksamkeit erregen, indem wir Dschinnkräfte einsetzen. In dieser Stadt wimmelt es von Ifrit, und wenn sie merken, dass wir Dschinnkräfte einsetzen, können wir schnell in Schwierigkeiten geraten. Klar?«
»Okay, okay.«
Sie nahmen ein Taxi zum Winter Palace Hotel und mieteten sich eine Zwei-Zimmer-Suite auf dem Dach des Hotels mit spektakulärem Blick über Las Vegas. Nach dem Abendessen sahen sie die Show von Adam Apollonius von den besten Plätzen des Hauses. Apollonius war ein großer, hagerer Mann mit einem kleinen Kinnbart, einem Ohrring und jeder Menge Tattoos. Jenny Sacstroker fand, er habe das Aussehen und die Sprechweise eines englischen Fußballstars. Und damit lag sie gar nicht so falsch. Adam Apollonius, dessen richtiger Name Alan Appleton war, stammte aus Schottland, was von England nicht sonderlich weit entfernt liegt, und hatte für den schottischen Fußballverein Celtic Glasgow gespielt, ehe ihn eine Verletzung zwang, den Sport gegen eine Karriere als professioneller Magier einzutauschen.
Die Show bestand aus zwei Teilen. In der ersten Hälfte ließApollonius alle möglichen Bären – Eisbären und Grizzlybären – an verschiedenen Stellen des Zuschauerraums auftauchen und wieder verschwinden. Außerdem verwandelte er sich selbst in einen echten Silbernackengorilla und wieder zurück, ehe er sich von einem Mann mit einer gigantischen Axt enthaupten ließ, der anschließend über die Bühne marschierte und den beständig weiterredenden Kopf des Magiers spazieren trug. (Für
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