Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
nicht so ganz, aber der Stamm der Jann steht wie die Marid auf der Seite des Glücks. Wir sind vielleicht nicht so mächtig und einflussreich wie ihr Marid. Aber wir handeln gut.«
»Ganz bestimmt.« Wie bescheiden Frank Vodyannoy sich gibt, dachte John. Gemessen daran fand er die Wirkung der Quäsitor-Fessel jedenfalls ziemlich heftig.
»Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich dich mit einem Quäsitor bestraft habe, John.« Er schwenkte die Hand mit dem Fingerring. »Seine Kraft wird durch diesen Mondstein sogar noch verstärkt und lässt sich auch schwerer kontrollieren. Das ist das Problem mit Mondsteinen. Sie sind etwas unberechenbar. Und ziemlich vorsintflutlich natürlich.«
»Nicht der Rede wert. Ich bin schon wieder o. k. Und in die Quere kommen wollte ich Ihnen bestimmt nicht.«
»Nett, dass du das sagst. Sehr anständig und höflich. Ich weiß gute Manieren bei einem Dschinn in deinem Alter durchaus zu schätzen. Heutzutage lassen viele junge Dschinn jeglichen Respekt gegenüber Älteren fehlen. Selbst die von guter Herkunft.«
Einen Moment dachte John an Dybbuk Sacstroker, und er verstand Franks Andeutung. Dass Dybbuk Mr Vodyannoy mit Respekt begegnen würde, konnte er sich kaum vorstellen.
»Hör zu, ich möchte es wieder gutmachen«, sagte Mr Vodyannoy. »Zum einen möchte ich dir etwas schenken. Weißt du, was ein Diskrimen ist, John?«
»Nein, Sir.«
Mr Vodyannoy lachte. »Es ist nur ein etwas komisches Wort für einen Notfall-Wunsch, das ist alles. Mein Vater hat mir ein Diskrimen geschenkt, als ich ungefähr in deinem Alter war. Sehr nützlich, wenn man in einer Klemme steckt. Das kommt schließlich vor, solange die Kräfte noch in der Entwicklung sind. Um ein Diskrimen zu aktivieren, muss man nur ein Codewort sagen. Es ist ähnlich wie ein Fokuswort, aber eins, das ein Dschinn dem anderen als eine Art Geschenk verleiht. Oder als Schadenersatz, wie in deinem Fall. Für zugefügte Unannehmlichkeiten.«
»Das ist nicht nötig«, sagte John. »Schadenersatz zu leisten, meine ich.«
»Ich bestehe aber darauf«, sagte Mr Vodyannoy. »Das Wort, das ich dir schenken will, ist ein altägyptisches Wort. Altägyptisch eignet sich sehr gut für Diskrimen, denn das kommt einem gewiss nicht zufällig über die Lippen. Du hast wohl nicht vor, gerade jetzt nach Ägypten zu verreisen?«
John schüttelte den Kopf.
»Dann passt es also«, sagte er. »Das Wort, das ich dir schenken will, lautet:
KEBEHSENUEF.«
»Das merke ich mir nie!«, protestierte John.
»Musst du ja auch nicht«, sagte Mr Vodyannoy. »Ein Diskrimen aktiviert sich selbst. Sobald eine Situation entsteht, in der ein Diskrimen eventuell hilfreich ist, beispielsweise ein echter Notfall, wird dir das Wort auf der Zunge liegen.«
John verstand nicht, wie das möglich sein sollte. »Vielleicht, wenn ich wüsste, was es bedeutet«, meinte er.
»Das ist nicht nötig«, wandte Mr Vodyannoy ein. »Aber wenn du es wissen willst, das Wort bezeichnet einen ziemlich elementaren Teil deines Körpers: den Darm.«
»Na wunderbar«, sagte John. »Also, ich bin bereit.«
»Wozu?«
»Für die Verleihung dieses Diskrimens.«
»Schon erledigt.«
»Oh, vielen Dank, Sir. Mr Vodyannoy. Ich meine, Frank.«
»Keine Ursache.« Mr Vodyannoy warf einen Blick aus dem Fenster. »Als Zweites will ich dafür sorgen, dass du nach Hause kommst. Wo wohnst du?«
»Auf der anderen Seite des Parks«, sagte John. »East 77 th Street Nummer 7. Aber das muss wirklich nicht sein. Ich geh zu Fuß oder nehme ein Taxi.«
»O nein.« Frank Vodyannoy lachte. »Sieh doch aus dem Fenster. Seit du hier auf dem Sofa liegst, sind an die zehn Zentimeter Schnee gefallen.«
John sah hinunter in den Park. Mr Vodyannoy hatte Recht.Man konnte kaum die Bäume sehen, so dicht schneite es jetzt. Warum war ihm das vorhin nicht aufgefallen? Der Verkehr war beinahe zum Stillstand gekommen und der Park lag wie unter einer dicken Watteschicht.
»Das ist eben das Problem mit Quäsitoren«, sagte Mr Vodyannoy, der Johns Überraschung bemerkt hatte. »Es dauert immer eine Weile, bis man sich vollends davon erholt. Und deshalb werde ich dich jetzt mit dem einzigen, hundertprozentig wetterbeständigen Transportmittel nach Hause schicken. Per Wirbelsturm.«
»Nein, nein, warten Sie!«
»Keine Angst. An einem Tag wie heute wird das nicht weiter auffallen. Glaub mir.«
John wollte erklären, dass er sich möglichst unbemerkt ins Haus schleichen musste. Das
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