Die Kinder von Alpha Centauri

daß ich noch mehr kaputtmachen könnte, als mir
schon gelungen war.«
    Kath lachte, legte sich auf den Rücken und blickte an die Decke.
    »Du bist eigentlich ganz wie wir, nicht?« sagte sie. »Du weißt auch nicht,
woher du kommst.«
    »Das war bei vielen Leuten so der Fall«, erwiderte Colman. »Nach dem
Krieg ging alles durcheinander . . . Fällt das ins Gewicht?«
    »Eigentlich nicht«, sagte Kath. Sie blieb eine Weile still liegen, dann
fuhr sie leiser fort: »Aber es ist doch nicht dasselbe. Ich meine, es muß
wunderbar sein, wenn man dort wirklich geboren ist... wenn man weiß, daß man
direkt von all den Generationen abstammt, bis zurück zum Anfang.«
    »Was?«
    »Das Leben! Das Leben auf der Erde. Du bist ein Teil davon. Ist das nicht
ein erregendes Gefühl? So muß es doch sein.«
    »Das gilt für euch genauso«, meinte Colman. »Die chironischen Gene haben
denselben Ursprung wie alle anderen. Die Codes sind nur für eine Weile in
Elektronik und dann wieder in DNS umgewandelt worden. Na und? Ein Buch, das in
der Datenbank gespeichert wird, bleibt dasselbe Buch, wenn es herauskommt.«
    »Technisch gesehen hast du recht«, bestätigte Kath. Sie hob den Kopf und
betrachtete mit entrücktem Blick die Aufnahmen ihrer Kinder. »Sie könnten über
den ganzen Planeten verstreut sein, und die Art, wie sie leben, mag im
Vergleich mit dem, was du kennst, etwas sonderbar sein, aber auf ihre eigene
Art ist das eine glückliche Familie«, murmelte sie. »Aber trotzdem ist es nicht
dasselbe. Man hat einfach nicht das Gefühl, daß irgendeine Verbindung zu dem
besteht, was vor fünfzig Jahren geschehen ist. Findest du nicht, daß das - nun
ja - schade ist?«
    Was ihr durch den Kopf ging, begriff Colman erst eine Stunde später, als
er in einem Mag-Wagen nach Canaveral zurückfuhr, mit der bedrückenden Aussicht,
vielleicht eine Stunde schlafen zu können, bevor er seinen Dienst antreten
mußte.
    Familie?
    Erde?
    Er richtete sich kerzengerade auf, als ihm dämmerte, wie das alles
zusammenhing. Vielleicht kannte Swyley sich doch nicht so gut aus.
    Das war also der Grund, weshalb jemand von Chiron sich mit
einem Terraner zusammentun wollte!
    Als provisorische Kaserne für die Einheiten auf der Oberfläche hatten die
Chironer einen erst kurz zuvor fertiggestellten Gebäudekomplex zur Verfügung
gestellt, der eine Schule hatte aufnehmen sollen, sobald Canaveral
weiterwuchs. Es gab einen Verwaltungsblock mit Räumen für öffentliche Benutzung,
den die Armee auch für diese Zwecke verwendete, eine Reihe von Unterrichts- und
Wohngebäuden, wo man die Soldaten untergebracht hatte,während ein Bau als
Gefängnis diente; ein Turn- und Sportzentrum, das man als Lager, Waffenkammer
und Fahrzeugbereitschaft nutzte, und eine Großkantine, die unverändert
geblieben war.
    Es war nach 4 Uhr Ortszeit früh, als Colman in das Zimmer zurückkehrte,
das er mit Hanlon im Omar Bradley-Block teilte, im System der vierundzwanzig
chironischen »Langstunden« eine so triste Zeit wie auf der Erde. Da Hanlon
Nachtdienst hatte, stieg er dankbar ins Bett, ohne vorher zu duschen, damit er
wenigstens noch bis halb sechs Uhr schlafen konnte.
    Sein Kopf schien das Kissen kaum berührt zu haben, als eine Druckwelle
das Zimmer erschütterte und ein ohrenbetäubender Knall ihn aufspringen ließ,
bevor er auch nur begriff, daß er wach war. Weitere Explosionen kamen in
rascher Folge von draußen, gefolgt von Schüssen, schreienden Stimmen und
stampfenden Füßen. Sekunden später begann eine Sirene zu heulen, und der Lautsprecher
im Zimmer bellte: »Achtung, Großalarm! Achtung, Großalarm! Ausbruchsversuch im
Gefängnisflügel. Alle Offiziere und Mannschaften auf Alarmstationen!«
    Was dann folgte, war ein heilloses Durcheinander.
    Colman fand Sirocco im Bereitschaftsraum, auf eigene Initiative
handelnd, nachdem er von Colonel Wessermans Stab widersprüchliche Anweisungen
erhalten hatte. Sirocco beauftragte den Großteil von Kompanie D, den Bau gegen
Eindringlinge zu sichern und die Durchgangswege nach draußen zu sperren. Er
schickte Colman mit einem gemischten Trupp aus Zug Zwei und Drei zur Unterstützung
nach Bedarf. Sie stießen auf eine Einheit vom SD. Man nahm sie ins Schlepptau
zum Tor West, einem kleinen Nebeneingang zum Gelände, wo sich angeblich alles
abspielte. Colman wollte Posten um die Fahrbereitschaft aufstellen, wo mehrere
Frachtflugzeuge von der »Mayflower II« abgestellt waren, mußte sich aber einem
höheren Dienstgrad beugen und sich