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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Müdigkeit war von Hagen abgefallen. Dafür machte sich die Wunde an seinem Bein wieder bemerkbar. Er tastete mit der Hand danach, und als er sie zurückzog, war sie feucht von Blut. Die Wunden, die dieses Schwert schlägt, werden niemals heilen. Wer hatte diese Worte gesagt? Nun, bald würde es keinen Unterschied mehr machen.
    Er humpelte weiter, schwer auf den Speer gestützt. Die Nacht ringsum war erfüllt von Geräuschen: dem Gluckern des Moores, dem Pfeifen des Windes, den Rufen von Tieren auf nächtlicher Jagd. Doch er blendete sie alle aus, bis er wie durch einen Tunnel ging, nur auf ein einziges Ziel gerichtet.
    Schwarz hob es sich am Horizont ab, ein dunklerer Schatten im ungewissen Licht. Es sah aus wie ein alter Ringwall, Überrest einer längst gefallenen Feste, mit Büschen und Bäumen bestanden. Ein mit Steinen ausgelegter Pfad führte hindurch, in die einzige Öffnung, die der Wall bot.
    »Wo sind wir hier?«, fragte Hagen, als er sich mit dem stumpfen Ende des Speers seinen Weg ertastete, der hinab in die Tiefe führte.
    »Das ist Uisnech, der Mittelpunkt von Erin, der Nabel der Welt. Und in seinem Zentrum befindet sich Crom Dhu, der schwarze Kreis.«
    Innerhalb des schwarzen Kreises erhob sich ein Stein. Hüfthoch, breit gelagert. Selbst das Mondlicht hinterließ keine Spur auf ihm. Es war, als sauge er auch den letzten Rest von Licht in sich hinein. Er war geformt wie ein Amboss – oder wie ein Altar.
    Rechts und links von dem dunklen Stein standen zwei Gestalten, in lange Gewänder gekleidet. Es waren Frauen. Die eine von ihnen war noch jung, eine Kriegerin, kühl und unnahbar wie der Mond. Die andere stand in der Blüte ihrer Jahre, breithüftig und stark wie die Erde, auf der sie stand.
    »Wen bringst du uns, Caillech?«, fragte die eine.
    »Den Helden von Erin, der sich als Opfer anbietet um die Mórrigan zu bannen.«
    »Weiß er, was das bedeutet?«, fragte die andere.
    »Ich weiß genug«, sagte Hagen, um das Verfahren abzukürzen. »Bringen wir es hinter uns.«
    Sie zogen ihm seine Kleider aus, um ihn zu waschen, erst mit Milch, dann mit Wasser. Er ließ es widerspruchslos geschehen. Dann salbten sie sein Haar, seine Stirn und seine Brust mit Öl. Es roch seltsam süß und streng zugleich, wie nach darin aufgelösten Kräutern, welche die Sinne berauschten; dennoch blieb er hellwach. Ein Kranz aus Mistelzweigen wurde ihm aufgesetzt; er kam sich vor wie ein Ochse, der zum Fest herausgeputzt wurde. Oder wie ein Opferstier, den man zur Schlachtbank führte. Wahrscheinlich war Letzteres das bessere Bild.
    Nackt trat er vor den dunklen Stein. Man gab ihm den Speer in die Hand; es war das Einzige, was in dieser Kälte und Finsternis noch eine Spur von Wärme und Leben enthielt.
    »Ach, wie trostlos ist diese Nacht
Nach dem Verlust der Vielgeliebten.
Sie wurden getötet, das ist mein Elend.«
    So sangen die Frauen.
    »Ach, wie düster ist diese Welt.
Vom Abend bis zur Mitte der Nacht
Will ich wachen und weinen.
    Nicht der Tod ist es, der mich peinigt.
Ich weine um euch, meine Schwestern,
und euch, meine Brüder, mein Land …«
    Jetzt konnte er nur noch warten. Alles Sinnen und Denken verengte sich auf den dunklen Stein. Und dann sah er jenseits des Steins den Kessel.
    Es war rund, ohne Anfang und Ende, wie die Schlange, die die Welt umgibt. Uralt und doch ewig jung. Der Kessel des Lebens – und des Todes.
    Wie würde es sein, wenn sein Blut in den Kessel rann?
    Eine Veränderung im Licht ließ ihn aufblicken. Etwas fraß am Rande des Mondes. Ein Schatten schob sich über die silbrige Scheibe, langsam, kaum wahrnehmbar in seiner Bewegung.
    Das Licht des Mondes schwand, als der Schatten der Erde zunahm.
    Eine Mondfinsternis.
    Er wartete, wartete geduldig, bis nur noch eine letzte schmale Sichel aus Licht am Himmel stand.
    Wenn der Mond verlöscht und die Sonne verdunkelt, dann ist meine Stunde gekommen.
    Dunkelheit brach herein.
    Ein Wind kam auf. Rauch wehte herauf aus der Tiefe des Abgrunds. Und aus der Tiefe kam sie.
    Ihr Antlitz war weiß wie der Tod. Ihre Augen waren wie glühende Kohlen. Bleich war ihr Haar und bleich ihr Gewand, doch der Mantel, der sie umwehte, war schwarz wie die Nacht, die sie umfing, glänzend wie eine Krähenschwinge.
    »Bist du bereit?«
    Wortlos hielt er ihr den Speer hin. Die Finger, die sich um die seinen schlossen, waren eiskalt. Er löste seinen Griff. Die Mórrigan hob den Speer, und in diesem Augenblick brach der erste neue Schimmer des Mondes durch die

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