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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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einfiel. Ailell. Ailell der Honigzüngige, der Anführer des Trupps, welcher nach Westen gezogen war, um von den Untertanen die Steuer einzufordern.
    Der Blick Ailells ging über den Pferch und über den Holzplatz hinweg, als gäbe es dort nichts anderes zu sehen als das, was man auf einem kleinen Hof wie diesem gewöhnlich zu sehen erwartete, und blieb an der Tür des Hauses hängen.
    »Ist jemand zu Hause?«, rief er. Er hätte es schon wegen des Rauches vermuten können, der immer noch durch das Strohdach drang, aber er schien es wohl mit der Höflichkeit halten zu wollen.
    Die alte Meg kam aus der Tür gehumpelt. Sie wirkte noch viel älter und gebrechlicher, als sie Hagen erschienen war. Mit zittriger Greisenstimme krächzte sie:
    »Oh, Ihr hohen Herren, ich hab meinen Tribut schon bezahlt. Glaubt mir! Das schönste Lämmchen von meiner Weide! Wenn Ihr mir nichts mehr lasst, wie soll ich den langen Winter überleben?«
    »Wir kommen nicht wegen der Steuern«, sagte eine helle Stimme, und Hagen erkannte zu seinem Schrecken den Sprecher. Es war Laeg, Laegaire Buadach, der neben Ailell ritt. »Wir suchen einen Mann. Cúchullin ist sein Name. Groß gewachsen, mit heller Haut und schwarzem Haar. Er trägt ein rotes Gewand, mit Gold gesäumt, goldene Fibeln und Spangen und einen bronzenen Helm. Und einen starken Speer.«
    Er muss mich einfach sehen!, dachte Hagen. Sicher, er trug jetzt einen schmutzigen Umhang anstelle des roten Kittels, aber so sehr hatte er sich doch nicht verändert, dass..
    »Oho!«, kicherte die Alte. »Solch ein schöner Mann! Was hat er verbrochen?«
    »Nichts«, erklärte Laeg. »Er ist unser Held. Er hat das Land vor dem Feind gerettet. Aber er ist verschwunden, und darum suchen wir ihn.«
    »Nein«, sagte die Alte, »einen solchen Mann habe ich hier nicht gesehen. Es ist lange her, seit ich solche Helden in Erin wandeln sah: Nuadu mit der silbernen Hand und Lugh, den Samíldanach; den Dagda, den roten Mann allen Wissens, und Angus Óg, seinen Sohn …«
    »Sie ist verrückt«, meinte Ailell, zu den anderen gewandt. »Hier finden wir nicht, was wir suchen.«
    Laegs Blick streifte über den Hof und die Tiere und blieb an Hagen hängen. Hagen wagte nicht, sich zu rühren.
    »Einen schönen Hund hast du da«, sagte er. »Er erinnert mich an den Hund, den unser König besaß, ehe Cúchullin ihn tötete. Ist er zu verkaufen?«
    »Ach, wer soll mich alte, schwache Frau beschützen, die ich keinen Mann mehr habe?«, rief die alte Meg aus. »Und Ihr werdet keine Freude an ihm haben, junger Herr; er ist bissig und unzuverlässig. Sucht Euch einen Welpen woanders.«
    »Reiten wir weiter!«, bestimmte Ailell.
    Erst als die letzten Reiter um die südliche Waldzunge gebogen waren, löste sich Hagen aus seiner Erstarrung und ging auf die alte Frau zu.
    »Ich möchte mit Euch reden«, sagte er, unwillkürlich die höfliche Anredeform benutzend.
    Die Alte sah ihn scharf an. »Gehen wir hinein«, sagte sie dann.
    Das Innere der Hütte war voller Rauch, der von einem offenen, gemauerten Herd emporstieg, sich unter dem Dachfirst sammelte und dann durch das Stroh des Daches nach draußen zog. Der Raum war kahl bis auf eine Lagerstatt, ein Bett aus Tierfell, das in einen hölzernen Rahmen gespannt war, ein Bord mit Küchengeräten, eine Truhe und zwei hölzerne Schemel. Die Alte zog den einen heran und bedeutete Hagen, sich darauf zu setzen. Sie selbst zog sich den zweiten herbei.
    »Ich bin der, den sie suchen«, begann Hagen ohne Umschweife. »Aber ich bin kein Held.«
    »Das zu entscheiden steht dir nicht zu«, sagte die Alte, nicht ohne eine gewisse Schärfe.
    »Ich habe meinen besten Freund getötet«, brach es aus Hagen heraus. »Wir standen auf zwei verschiedenen Seiten. Wir besaßen beide unbezwingbare Waffen: Er das Schwert der Macht. Ich den Speer des Sieges. Nur einer konnte gewinnen.«
    »Aber ihr beide wart nicht aus freien Stücken dort«, sagte die Alte.
    Hagen blickte überrascht auf. »Wie … wie meint Ihr das?«
    »Es war der dunkle Mann«, sagte sie. »Ich habe ihn gesehen, als er mit deinem Freund in die Schlacht zog. Ich habe ihn gesehen, wie er in den Lüften mit dem roten Stier kämpfte, als Lachs, als Hirsch, als Seeadler …«
    »Als Seeadler?« Hagen erinnerte sich plötzlich an die Szene in der Halle des Königs, als er seinen Eid geleistet hatte: »Dann werde ich wohl fliegen müssen wie ein Seeadler …« Er hatte die Worte noch im Ohr. »Ist sein Name zufällig …

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