Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
Vom Netzwerk:
Amergin?«
    »Amergin nennt er sich jetzt, seit die Milesier kamen. Tuan hieß er in den Zeiten der Tuatha Dé Danann. Als Fintan kannte ich ihn, als ich jung war, jung wie er …« Ihre schwarzen Augen waren uralt und weise. »Ich war Cessair, die Erste, die hier in Erin herrschte. Er glaubt, ich sei tot, aber ich lebe.«
    »Dann war er es, der uns alle manipuliert hat!«, rief Hagen aus. Und dann wurde ihm noch etwas klar: »Der graue Hund … er hat versucht, mich aufzuhalten. Aber es ist ihm nicht gelungen, weil ich zu verstockt war.«
    »Der graue Hund?«
    »Mein Begleiter. Ich weiß nicht, wer er war, auch wenn ich einen Verdacht habe.« Er dachte an den Schmied in der unterirdischen Esse, aber er sprach es nicht aus. »Doch was Amergin betrifft – was wollte er damit bezwecken.«
    »Ich denke, er wollte das Land wieder für sich haben, wie einst. Doch das Rad des Lebens lässt sich nicht zurückdrehen. Und was wäre die Schönheit von Erin, wenn keiner da ist, sie zu bewundern?«
    »Ob er tot ist?«
    »Ich glaube es nicht«, meinte die Alte nachdenklich. »Er ist wieder eins geworden mit dem Land, und es wird viele Generationen und Verkörperungen brauchen, bis er wieder zu dem werden wird, was er war. Aber dich, wie du siehst, trifft keine Schuld. Du warst nur eine Figur in einem uralten Spiel, das weder zu gewinnen ist noch zu verlieren.«
    Hagen schwieg. Dann, nach einer Weile, sagte er leise: »Ihr versteht das nicht. Ihr seht nur das Spiel, das sich immer wiederholt, und seine Regeln. Ich habe mich zu sehr in die Geschichte hinein verstricken lassen. Es gibt einen Punkt, an dem man die Regeln brechen muss, weil sie unmenschlich werden. Wo man als Mensch sagen muss: nein.«
    Die Alte sah ihn aus unergründlichen Augen an. Und plötzlich begriff Hagen, dass sie ihn wirklich nicht verstand.
    »Die Mórrigan ist losgelassen«, fuhr er fort. »Ich habe die Spuren der Verwüstung gesehen. Wenn man ihr nicht Einhalt gebietet, wird sie das ganze Land verheeren. Was kann man tun, um sie daran zu hindern?«
    Leben kehrte in die Augen der Alten zurück. »Sie ist mächtig und genauso alt wie ich«, meinte sie. »Man könnte sagen, sie ist meine dunkle Schwester.«
    »Ich habe gehört«, sagte Hagen vorsichtig, »in früheren Zeiten … habe man ihr Opfer dargebracht.«
    »Ja, Opfer von dem Besten aus der Herde. Den größten Widder. Den stärksten Stier. Den edelsten Hengst. Vielleicht könnte ein solches Opfer sie besänftigen.«
    »Vielleicht? Und wenn nicht?«
    »In den ältesten Zeiten, als Erin noch jung war, opferte man ihr auch Menschen. Den, dem der Anteil des Helden gebührte. Aber diese Zeiten sind vorbei.«
    »Gaben diese … diese Opfer sich freiwillig hin?« Er spürte, wie sein Herz höher schlug.
    Die Alte sah in scharf an. »Wer würde sich schon freiwillig anbieten?«
    »Ich biete mich an.« Die Worte kamen heraus, bevor er es sich anders überlegen konnte.
    »Weißt du, was du da sagst?«
    Hagen schluckte. »Ich glaube schon. Oder meint Ihr«, fügte er in einem letzten verzweifelten Anflug von Hoffnung hinzu, dass sich ihm doch noch ein Ausweg bieten könnte, »ich wäre dessen nicht würdig.«
    »Du bist der Held des Königs«, sagte die Alte. »Lange hat es kein so würdiges Opfer in Erin gegeben. Aber du bist dazu nicht verpflichtet, das weißt du. Es ist allein dein Wunsch, deine Entscheidung.«
    »Ich will es.« Der Entschluss stand fest. »Ich gehöre ohnehin nicht hierher. Was soll ich hier noch? Ich tue es für das Land und für meinen toten Freund und für die Menschen, die an ihn glaubten – und an mich.« Und als die Alte nichts darauf erwiderte, fügte er hinzu: »Hinter dem Antlitz der Mórrigan ist das Mädchen, das ich liebe. Auch wenn sie mir nicht vergeben kann, verschaffe ich damit vielleicht auch ihr die Freiheit.«
    Die Züge der Alten wurden weich.
    »Komm«, sagte sie. »Gehen wir! Und vergiss deinen Speer nicht. Du wirst ihn brauchen.«
    Sie traten hinaus vor die Tür. Hagen nahm seinen Speer auf, wo er ihn achtlos beiseite geworfen hatte, und dann folgte er seiner Führerin hinaus in die endlose Weite des Moores.
    Es war Abend geworden. Die Sonne überzog das Land mit einem blutroten Schimmer, ehe ihr letztes Licht verlosch. Der Wind hatte die Wolkendecke aufgerissen. Hier und da schimmerten Sterne hindurch. Der Mond hing über dem Land wie eine silberne Scheibe, ungetrübt von allem, was sich drunten auf der Welt abspielen mochte, die er mit seinem Glanz beschien.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher