Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
treten, damit Kyinta seine Leute vom Forum führen konnte. Dann wandte er sich lächelnd zur Basilika um. Auf die Türen waren Sprüche gemalt, die eine Senkung der Steuern, das Ende der Konkordanz und den Tod der Einnehmer forderten. Es war nicht das erste Mal.
»Hinein«, befahl er seinem Levium. »Wir wollen alle herausholen, die dort noch sind, meine Leute befreien, die Kisten holen und wider verschwinden. Vermutlich werden es auch die Bärenkrallen leichter haben, wenn wir fort sind.«
»Habt Ihr wirklich gemeint, was Ihr gesagt habt, Herr? Dass Ihr für den Bauern die Steuern entrichten wollt?«
Jhered starrte den jungen Mann an. Er stand im Range eines Addos und war gerade erst der angesehenen Truppe der Advokatin zugeteilt worden.
»Du wirst noch lernen, Addos Harin, dass ich alles, was ich sage, durchaus ernst meine.«
Jhered lief die Treppe vor der Basilika hinunter, gab einem Adjutanten seinen Schild und steckte das Schwert in die Scheide. Ein Mann, dem nicht nur dank des Helmbusches seiner Familie Großes bestimmt war, kam ihm entgegen.
»Roberto!«, rief er, nahm den Helm ab und klemmte ihn sich unter den Arm.
Der junge Del Aglios winkte und kam herüber. »Hat es einen befriedigenden Ausgang genommen, Paul?«
»Mit knapper Not«, sagte Jhered. Er deutete auf den Unrat, der das Forum bedeckte. »Allerdings mache ich mir Sorgen wegen dieser Ereignisse. Es sind zu viele, als dass wir sie ignorieren dürften.«
»Das ist eine unvermeidliche Folge der Expansion.«
Jhered zog die Augenbrauen hoch. »Es ist eine unvermeidliche Folge übermäßiger Besteuerung. Du hörst zu sehr auf deine Mutter, Roberto, und sie bringt mich allmählich in Verlegenheit.
Meine Einnehmer stoßen überall auf Widerstand und Verweigerung, wohin sie auch kommen. Wir pressen der Konkordanz den Lebenssaft aus dem Leib. Irgendwann müssen wir innehalten und Atem schöpfen.«
»Sie ist die Advokatin«, erwiderte Roberto achselzuckend. »Du weißt, wie sie ihr Amt und die Zukunft der Konkordanz sieht.«
»Das sind Sprüche, die ich schon im Schlaf wiederholen kann«, grollte Jhered. »Sicherheit und Wohlstand durch Eroberung und Expansion. Ich nehme an, die letzten Schatzkisten waren nicht für Verbesserungen der Abwasserkanäle und Wasserläufe gedacht?«
Roberto kicherte. »Nein, mein erlauchter Schatzkanzler.« Das Lächeln verflog rasch wieder. »In Estorr ist vieles im Umbruch. Die Steuern sind nur ein Teil davon. Wir heben in der ganzen Konkordanz zahlreiche neue Legionen aus. Meine Mutter plant einen Angriff gegen Omari.«
Jhered riss die Augen weit auf und reagierte mit spontaner Empörung. »Dornos ist nicht sicher genug, um von dort aus einen Feldzug zu beginnen. Sie wird doch hoffentlich nicht in Erwägung ziehen, die Front in Gosland zu eröffnen, oder? Gewiss nicht, da die Lage an der Grenze zu Tsard so schwierig ist.« Jhered hielt inne und runzelte die Stirn. »Sollst du den Oberbefehl über dieses Unternehmen bekommen?«
Roberto schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht, aber du bist näher an der Wahrheit, als dir klar ist. Dies war mein letzter Einsatz für die Bärenkrallen und der letzte Einsatz der Zweiten Legion im Norden.«
Ein warmer Schauder berührte Jhereds Herz. »Dann bekommst du tatsächlich ein eigenes Kommando.«
»Zwei Legionen, zwei Alae. Von frischen Rekruten bis zu erfahrenen Legionären. Mindestens für die nächsten zwei Jahre werde ich keinen Kampfeinsatz bekommen, aber immerhin.«
Jhered erkannte, wie sehr Roberto sich darüber freute, und fasste ihn bei den Schultern. »Meinen Glückwunsch. Und wenn ich das sagen darf: Es wurde auch langsam Zeit.«
»Danke. Meine Mutter wird sicher froh darüber sein, nicht mehr anhören zu müssen, wie du dich darüber auslässt. Ich bin dir zu Dank verpflichtet.«
»Ich hätte mich nicht zu Wort gemeldet, wenn ich dich nicht für fähig hielte, General.« Die Männer lachten. »Das klingt gut, was? Wir wollen heute Abend darauf trinken. Ich bin sicher, dass sie ihre Pläne mit dir hat.«
»Oh, gewiss«, bestätigte Roberto. »Große Pläne. In vier Jahren will sie in Tsard eine dreifache Front eröffnen.«
Jhered blieb wie vor den Kopf geschlagen stehen, fasste Roberto am Arm und zog ihn ein Stück fort von den neugierigen Augen und den gespitzten Ohren. Sein Herz schlug ihm bis zum Halse. Er konnte das nicht so stehen lassen.
»Sie darf das nicht tun«, zischte er. »Das ist töricht. Gosland mag ein Juwel sein und die Konkordanz stützen,
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