Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
erheblich mehr Späher verloren, als ihm lieb war, und der Partisanenkrieg der Tsardonier machte ihm zu schaffen. Tag für Tag töteten die Tsardonier seine Kämpfer, während sie selbst kaum Verluste hinnehmen mussten.
Die Überfälle hatten ihn gezwungen, einige unangenehme Entscheidungen zu treffen. Er hatte bewaffnete Trupps zu Raubzügen vorausgeschickt und ihnen befohlen, nichts zu hinterlassen, was andere nutzen konnten. Sie hatten vorab die einheimische Bevölkerung über ihre Absichten unterrichtet und die Einwohner darüber aufgeklärt, welche Folgen es hatte, wenn sie die Überfälle der Kavallerie unterstützten. An drei Siedlungen hatte er ein Exempel statuiert. Diese Notwendigkeit quälte ihn, doch wenn er tatenlos zugesehen hätte, wären die Auswirkungen auf die Moral seiner Truppe noch viel schlimmer gewesen.
Bei der augenblicklichen Geschwindigkeit würden sie ihr Ziel in der Mitte des Solasab erreichen, und er konnte dann endlich einige seiner altgedienten Legionäre über den Winter in ihre Heimat entlassen. Immer vorausgesetzt natürlich, dass die Straßen, die gebaut wurden, und die zugehörigen Verteidigungsanlagen genügend stark gesichert waren. Außerdem hing viel davon ab, ob seine Mutter seine Bitte erfüllte, ihm Verstärkung zu schicken, um die Ausfälle durch den Typhus auszugleichen.
Wie immer, wenn er an diese schreckliche Zeit zurückdachte, schauderte er. Kaum auszudenken, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können.
Shakarov und Davarov hatten beide überlebt. Gott hatte seine fähigsten Feldkommandeure verschont, damit sie große Taten vollbringen konnten. Seine Freunde.
»General?«
Elise Kastenas riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich zu ihr um.
»Nun?«
»Ich kenne sie, und du solltest sie auch kennen. Sie liegt im Fieberwahn, hat Verbrennungen und ist nicht bei sich, aber es ist unverkennbar Dina Kell, die Rittmeisterin der Zweiten Estoreanischen Legion, der Bärenkrallen.«
»Die Bärenkrallen!«
Kastenas nickte. »Ich habe zusammen mit ihr die Ausbildung absolviert, und dann haben wir beide unter dir in Dornos gedient.«
Roberto vergewisserte sich mit einem raschen Blick, dass niemand sie belauscht hatte, und schob sie ins Zelt zurück.
»Die Krallen waren in Scintarit. Das ist Gesteris’ Legion.« Roberto fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. »Wenn sie hier ist …«
»Das kann kein Zufall sein.«
»Gott umfange uns.« Er blickte auf sie hinab. Sie schlief jetzt unter dem Einfluss der Alraunenwurzel, und Dahnishev versorgte ihre Wunden.
»Ich weiß, was du sagen willst«, kam ihm der Feldarzt zuvor. »Ich werde tun, was ich kann. Wir geben ihr Wasser und kühlen sie, so gut wir können, und dann ziehen wir ihr die Rippe aus der Lunge. Danach liegt es bei ihr.«
»Ich brauche sie, Dahnishev.«
»Ich weiß.« Mit finsterer Miene drehte sich der Arzt um. »Was habe ich gerade gesagt, Roberto?«
»Dann werde deinem Ruf gerecht.«
Dahnishev kicherte. »Früher oder später wird er vergehen.«
»Aber bitte nicht heute. Weck mich, sobald sie zu sich kommt. Wir tun keinen Schritt, solange sie uns nicht berichtet hat, was ihr widerfahren ist. Es wird Zeit, darum zu beten, dass wir noch eine Ostfront haben.«
Roberto saß allein im Zelt, nachdem er mit seinen Befehlshabern zu Abend gegessen hatte. Sie wussten jetzt alles, was auch er wusste, und hatten die Aufgabe bekommen, sich Strategien für den Notfall zu überlegen. Shakarov und Davarov hatten sich mit bedrückten Mienen verabschiedet, und Roberto hatte ihnen versichert, dass sie als Erste jede neue Information bekommen sollten. Bis dahin durften sich keine Gerüchte mehr verbreiten, obwohl es natürlich am Morgen nach der Ankündigung, dass die Truppe an diesem Tag nicht marschieren würde, einiges Gerede geben würde.
Dahnishev schickte in den kühlen Stunden vor Anbruch der Dämmerung einen Boten. Roberto fand den Arzt am Eingang des Zelts vor, nachdem er die Legionäre verscheucht hatte, die dort herumgelungert hatten.
»Sie kann jetzt sprechen, aber ob sie bei Verstand ist, das musst du selbst beurteilen. Sie besteht darauf, nur mit dir zu reden.«
Roberto nickte und trat an die Pritsche, auf der Kell lag. Sie wollte sich auf die Ellenbogen hochdrücken, hatte aber nicht genug Kraft. Kopf und Hals waren größtenteils von Verbänden bedeckt, und der kleine Rest, der noch hervorschaute, war mit Salben eingerieben. Auch ihr Oberkörper war verbunden und verschnürt, und an der
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