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Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann

Titel: Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Stelle, die Dahnishev aufgeschnitten hatte, um die verletzte Rippe einzurichten, sickerte Blut durch.
    »Ich bin General Roberto Del Aglios. Ihr wolltet mich sprechen. Lasst Euch Zeit, denn daran mangelt es uns nicht.«
    »Nein, nein, das stimmt nicht«, keuchte sie. Ihre Stimme klang, als würde ein schwerer Sack über Kies gezerrt. »Wir wurden vernichtet. Die Tsardonier marschieren gegen Atreska, Gosland und Gestern. Die Konkordanz ist in großer Gefahr.«
    Roberto setzte sich schwer, ihre Worte machten ihn beinahe schwindelig. »Was ist aus Gesteris geworden, was ist geschehen?«
    Kell schüttelte den Kopf. »Tot, sie sind alle tot.« Keuchend hielt sie inne. »Wir wurden aufgerieben und mussten ohne Anführer fliehen. Aber es kommt noch schlimmer.« Ein Hustenanfall jagte schmerzhafte Krämpfe durch ihren ganzen Körper.
    »Es ist genug«, sagte Roberto. »Ruht Euch aus.«
    »Nein, es geht schon. General, Ihr müsst es erfahren. Die Tsardonier wollen alle Atreskaner freilassen. Sie wollen das Land aus der Konkordanz herauslösen.«
    »Seid Ihr sicher?«
    »Alles deutete darauf hin. Alles, was ich gesehen und auf dem Weg hierher gehört habe. Ihr habt hier zwei atreskanische Legionen. Sie müssen jetzt gewiss als Feinde betrachtet werden.«
    Roberto lehnte sich an. Er hatte Mühe, das alles zu verdauen. Was er da gehört hatte, war doch einfach unmöglich.
    »Ich hoffe, Ihr seid stark genug, denn jetzt will ich alles erfahren.«
     
    Herine Del Aglios stand auf dem privaten Balkon ihrer Gemächer und fühlte sich zum ersten Mal seit Beginn ihrer Regentschaft als Advokatin verloren. Keiner von denen, den sie jetzt gebraucht hätte, stand ihr zur Verfügung. Jhered war weit entfernt unterwegs, vermutlich unter Lebensgefahr. Die Kanzlerin hatte vermutlich noch in Caraduk zu tun. Gesteris – nun, ihr dienstältester General war vielleicht schon längst tot.
    Sie beobachtete Yurans Gesandte, die gerade durch den inneren Garten lief und offenbar zu den atreskanischen Staatsgemächern im Palast wollte. Sie war ein kluges Mädchen, das Herine sofort ins Herz geschlossen hatte, auch wenn die Botschaft, die sie überbracht hatte, nur als Katastrophe zu bezeichnen war. Yuran hatte ihr möglicherweise, ohne es zu wissen, seine Nachfolgerin vorgestellt. Sobald sie außer Sicht war, betrachtete Herine wieder die Dokumente, die sie in der Hand hielt. Ihr Sohn hatte sie geschrieben, und dafür musste sie dankbar sein. Wenigstens war er am Leben. Aber wie lange noch?
    Bisher waren die Eroberungen völlig glatt verlaufen, doch jetzt löste sich vor ihren Augen alles auf. Sie glaubte nicht, dass ihre Reaktionen übertrieben waren. Die Konkordanz erwies sich auf einmal als riesiger, unbeholfener Apparat. Tsard plante eine Invasion. Eine Seuche hatte die Armee ihres eigenen Sohnes dezimiert, und ihr größtes Heer war verschwunden. Einfach verschwunden.
    Sie musste über viele Tausend Meilen hinweg zu Lande und zur See die Verteidigung organisieren und hatte doch keine Ahnung, wie sie das anfangen sollte. Das war die Aufgabe ihres Militärs, aber der Krieg in Tsard hatte ihr so viele Offiziere genommen, und denen, die im Hauptquartier von Estorrs bewaffneten Streitkräften am Schreibtisch saßen, traute sie nicht viel zu. Sie besaßen weder die Erfahrung noch die Klugheit, diese Aufgabe wirklich auszufüllen. Sie hatte niemand anders, doch wenn sie diesen Leuten vertraute, legte sie womöglich das Schicksal der Konkordanz in die Hände von Unfähigen.
    Sie lehnte sich an die Brüstung und atmete tief durch, um nicht wieder von Tränen übermannt zu werden. Sie hätte die Warnungen nicht in den Wind schlagen dürfen. Vor Jahren schon hatten Gesteris und Jhered ihr erklärt, dass die Männer an der Spitze ihrer Streitkräfte unfähig waren, weil sie nicht von klein auf im Heer gedient hatten. Jhered hatte sich dafür ausgesprochen, Roberto die Leitung zu übertragen. Gesteris hätte diese Aufgabe gern selbst übernommen. Die Marine der Konkordanz wäre unter Vasselis in guten Händen gewesen. Auch er war vielleicht schon tot.
    »Was habe ich nur getan?«, flüsterte sie.
    Es war so leicht gegangen. Ein Sieg war auf den anderen gefolgt, und die Schatzkisten waren übergequollen, während sie über unzählige Legionen und Flotten hatte verfügen können. Sie war erfreut gewesen, dass ihre besten Leute den Feldzug fortgesetzt und immer neuen Ruhm in immer neuen Siegen gefunden hatten. Es war ein guter Zeitpunkt gewesen, ihre engsten

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